Erebos
wenn dein Auftrag vollbracht ist.«
Und Dunkelheit senkte sich über Erebos.
»Das ist ja vielleicht bescheuert«, stellte Victor fest. Er winkte Nick und Speedy ins Nebenzimmer, denn Emily schien gerade bei einer schwierigen Spielphase angelangt zu sein. Sie hörten ihr hektisches Klicken.
»Was meint er mit ›erst ein Mal erwischt‹?« Nick war ehrlich erstaunt. »Wobei erwischt?«
»Ich hatte vor Jahren eine kurze Karriere als Graffiti-Vandale«, sagte Victor. »Aber woher das Gelbauge davon weiß … keine Ahnung. Zu dumm. Ich hätte auch lieber Holzkisten durch London transportiert, als eine Anzeige wegen Sachbeschädigung zu riskieren.«
»Aber habt ihr es mitbekommen?«, warf Speedy ein. »Er hat nicht gemerkt, dass ich an Victors Stelle gespielt habe. Er war nur irritiert, weil ich mich am Ende extra ungeschickt angestellt habe.«
»Ja, das hat geklappt. Trotzdem, das Risiko gehen wir nicht mehr ein. Das Spiel ist schauderhaft clever. Solange wir nicht ein bisschen mehr wissen, halten wir uns auf der sicheren Seite. Außerdem wirst du demnächst mein Novize. Ist klar, oder?«
Speedy fuhr sich über das rote Haar. »Das will ich hoffen. Ruf mich an, wenn es so weit ist, ich geh jetzt. Kate wartet sicher schon.«
Nachdem Speedy fort war, begann Victor in seinen Schränken zu kramen – nach Spraydosen-Altbeständen, vermutete Nick. Emily saß nach wie vor in ihrer Nische und war völlig auf ihr Spiel konzentriert.
Sollte er gehen? Sollte er bleiben und auf Emily warten? Unschlüssig blätterte Nick in einem der Computermagazine, die sich allerorts auf den Tischen stapelten. Er wurde aus Victor noch nicht ganz schlau. War das hier seine Wohnung? Sein Büro? Beides? Was war überhaupt sein Job?
Ihn jetzt darüber auszufragen war ungünstig, denn Victor kämpfte mit Papierbergen, die sich einen Weg aus dem Schrank nach draußen bahnen wollten.
Womit kämpfte Emily?
Nick ging näher, sehr leise, um sie nicht zu stören, und warf einen Blick über ihre Schulter. Hemera lief durch eine Art Tunnel. Für eine Drei verfügte sie schon über einen ziemlich guten Brustpanzer und ein ordentliches Schwert.
Vor und neben ihr rannten vertraute Gestalten: Drizzel war da, Feniel und Nurax. Hemera war in die gleichen Kreise geraten, in denen Sarius sich früher bewegt hatte.
Rums! Ein paar Aktenordner detonierten auf dem Boden. Victor hatte das sensible Gleichgewicht seines vollgestopften Schranks gestört, nun kam ihm der Inhalt entgegen. Aus einer geborstenen Schuhschachtel ergossen sich leere Druckerpatronen über seinen Kopf.
Emily blickte kurz auf, konzentrierte sich aber sofort wieder auf ihr Spiel. Sie war aus dem Tunnel ans Licht gelangt, nun stand sie unter einem riesigen Baum, der eine goldene Krone in den Blättern trug. Darunter brannte ein Lagerfeuer und allmählich entspann sich ein Gespräch.
Gab es Neuigkeiten? Nein, die Diskussion kreiste bloß um die Schwierigkeit, Wunschkristalle zu finden.
Ein Blick auf die Uhr verriet Nick, dass es gleich sechs sein würde. Besser, er ging jetzt, Victor würde ebenfalls bald aufbrechen, wenn er pünktlich beim Cavalry Memorial sein wollte.
Das letzte Tageslicht spielte in Emilys Haar. Sie hatten noch kein einziges Wort gewechselt, seit Nick hier war, aber das war in Ordnung, sie durfte sich nicht ablenken lassen. Aber sie war so schön – Nick konnte nicht einfach gehen, er musste eine Erinnerung mitnehmen. Wenn es keine Worte waren, würde es eben ein Bild sein. Er zog sein Handy aus der Hosentasche und knipste Emily vor ihrem Notebook. Sie bekam es nicht einmal mit. Nick steckte sein Handy behutsam ein, wie einen Schatz. Ab jetzt würde er sie bei sich tragen.
Victor hatte endlich seine Spraydosen gefunden. »Ich hoffe, die sind nicht völlig verklebt«, murmelte er und schüttelte eine mit grünem Etikett.
»Ich gehe jetzt«, sagte Nick.
»In Ordnung. Denk daran, dass du weder mir noch Emily verfängliche Mails schicken darfst. Ich bin nicht ganz sicher, aber es würde mich wundern, wenn das Spiel nicht auch auf deine Nachrichten zugreifen könnte. Und es versteht, was wir schreiben, vergiss das nicht.«
Nick versprach, daran zu denken. Zur Hölle, er konnte gar nicht mehr aufhören, daran zu denken. Las der Bote seine Post?
Während seiner Heimfahrt in der U-Bahn betrachtete er immer wieder das Foto, das er von Emily geschossen hatte. Am liebsten hätte er hier und jetzt das Display geküsst, doch er beschloss, damit zu warten, bis er wieder
Weitere Kostenlose Bücher