Erebos
Schildbuckel und mit verschlungenen blauen Malereien auf dem Holz.
»Du kannst ihn dir auf den Rücken schnallen«, empfiehlt der Gnom und baumelt unternehmungslustig mit den krummen Beinen, als wolle er seiner Truhe die Sporen geben.
Der Dunkelelf würdigt ihn keiner Antwort. Er geht auf die siebte und letzte Tafel zu.
»Wähle deinen Namen.«
Ein wenig erstaunt erinnert Nick sich daran, dass er sich kürzlich noch Gargoyle nennen wollte. Das passt auf einmal gar nicht mehr zu ihm. Er sieht sich um, ob sich eine weitere Truhe öffnet, die möglicherweise Schriftrollen mit Namensvorschlägen enthält. Nein. Bei der Namenswahl ist er auf sich allein gestellt. Jedenfalls fast, denn der Gnom hat seine eigene Auffassung von Entscheidungshilfe.
»Elfensterz, Elfennerz, Dunkelwaberwinzling! Spitzohrwicht, Fuchsgesicht! Oder klassischer? Momos, Eris, Ker oder Ponos, nicht zu vergessen Moros! Etwas für dich dabei?«
Kurz spielt er mit der Idee, sein Schwert zu nehmen und dem Gnom den Garaus zu machen. Das kann nicht allzu schwierig sein und dann wäre Ruhe zum Nachdenken. Doch der Gedanke an spitze gnomische Todesschreie und Blutlachen auf dem Turmboden halten ihn ab.
Klassisch, denkt er, ist ein gutes Stichwort. Etwas klassisch Römisches. Marius. Nein, Sarius.
Er überlegt nicht weiter, der Name ist genau, wonach er gesucht hat. Er gibt ihn ein.
»Sarius, Ssssarius, Sa-ri-us«, raunt es durch den Turm. »Willkommen, Sarius.«
»Sarius? Wie langweilig! Langweiler sterben schnell. Wusstest du das, Sarius?«
Der Gnom hüpft von der Truhe und streckt in einer letzten Geste seine spitze grüne Zunge heraus. Sie reicht ihm bis zur Brust.
Sarius tritt hinter ihm aus dem Turm, hinaus auf die sonnenüberflutete Wiese. Erst als er den Gnom hinkend im Wald verschwinden sieht, schnallt er sich den Schild auf den Rücken.
5.
Rot wie kleine kugelige Rubine leuchten sie zwischen pelzigen Blättern hervor. Sarius hat den Waldrand erreicht und Beeren entdeckt, die im Schatten der Bäume wachsen. Kann er sie einsammeln? Er kann. Zu seiner Freude stellt er fest, dass er nun über ein Inventar verfügt, in dem alles aufbewahrt wird, was ihm gehört. Hier findet sich das Krötenfleisch wieder, das er noch als Namenloser erbeutet hat. Ansonsten ist das Inventar leer, also hat er genug Platz für die Beeren.
Er richtet sich auf, als er es rascheln hört. Gibt es hier Schlangen im Gebüsch? Ein schneller Blick nach allen Seiten – nein, da ist nichts. Niemand. Sarius widmet sich wieder seinen Beeren. Die wachsen hier sicher nur, damit er sich mit Nahrung eindecken kann.
Der Angriff kommt so plötzlich, dass Sarius erst erschrickt, als alles schon wieder vorbei ist. Zwei Männer haben sich von hinten auf ihn gestürzt und halten ihn am Boden fest. Einer drückt ihm das Knie in den Rücken, biegt seine Arme nach hinten und fesselt sie. Der andere hält ihm einen Dolch unters Kinn, auf dem getrocknetes Blut und Haare kleben.
Sarius kann sich nicht wehren. Er versucht es, bringt aber nur ein Zappeln zustande und kann nicht verhindern, dass der größere der beiden Männer ihn hochhebt und sich über die Schulter wirft wie einen Sack.
Das war es also schon. Sarius, Dunkelelf und Ritter, wird beim Beerensammeln überrumpelt und verschleppt. Etwas Pech, und der mit dem Dolch wird ihn abmurksen. Dann ist das Abenteuer vorbei. Mist, blöder, elender. Und typisch obendrein. Er ist bestimmt der Einzige, der sich so dämlich hat überrumpeln lassen.
Sie marschieren durch den Wald, wobei der Kerl, der Sarius trägt, ihn immer wieder auf seiner Schulter zurechtrückt. Will ihn wohl nicht versehentlich verlieren. Aber dann tut er es doch; am Rand einer Böschung bleibt er ruckartig stehen, wirft ihn ab und befördert ihn mit einem Tritt den Hang hinunter.
Zweimal überschlägt sich Sarius, bis er im ebenen Gelände liegen bleibt.
Hier unten erwarten ihn drei Gestalten, die seinen Entführern stark ähneln: zerrissene Kleidung, vor Schmutz starrende Haut, Narben. Einem fehlt ein Auge, ein anderer hat einen Buckel. Nur ihre Waffen sehen gepflegt aus.
»Wo habt ihr den aufgetrieben?«, fragt der Bucklige.
»Ist beim Turm auf dem Boden rumgekrochen. War leichter zu fangen als ein Täubchen.«
Der Bucklige nimmt Sarius am Kragen und setzt ihn aufrecht gegen einen Baumstamm.
»Denkt ihr, er ist als Räuber zu gebrauchen? Sollen wir ihn behalten?«
Der Einäugige dreht seinen Kopf zur Seite, als ob er auf diese Weise Sarius besser
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