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Erebos

Erebos

Titel: Erebos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
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noch bis zehn. Nick bürstete sich das Haar, band es im Nacken zusammen und streifte sich die Klamotten von gestern über. Er konnte die Gelegenheit nutzen und gleich Frühstück mitbringen. Chocolate-Chip-Muffins, dafür würde Mum ihn lieben. Er nahm einen alten Turnbeutel, stopfte ihn in seine Jackentasche und hinterließ seiner Mutter einen Zettel auf dem Küchentisch: Bringe Colin etwas vorbei, bin bald zurück.
    Die Tür schloss er so lautlos hinter sich, dass er es selbst kaum hörte. Mum würde Colin nicht anrufen, um Nicks Angaben zu überprüfen. Und selbst wenn – Colin ging schon seit Tagen nicht mehr ans Telefon.
    Nick stieg bei Totteridge & Whetstone aus und musste zehn Minuten auf den Bus warten, der ihn die Totteridge Lane entlang zur Kirche brachte.
    Die Eibe war nicht zu übersehen. Nur dummerweise lag sie nicht so einsam, wie Nick es sich dem Bild im Internet nach vorgestellt hatte, denn auf dem Kirchhof spazierten Leute herum. Ein altes Ehepaar, zwei Frauen mit Kinderwagen, ein Gärtner. Sie schenkten Nick zwar keine Beachtung, aber er kam sich dämlich dabei vor, am Fuße dieses gewaltigen Baumes etwas zu suchen, das bestimmt nicht da war.
    Mit, einem Mal wurde ihm bewusst, wie absurd diese Situation war. Wieso war er hier? Weil eine Computerspielfigur ihm aufgetragen hatte, etwas unter einem Baum zu suchen? Mein Gott, war das lächerlich.
    Immerhin wusste es niemand. Er konnte einfach wieder nach Hause fahren und die Sache vergessen, mit Mum frühstücken und danach mit Jamie um die Häuser ziehen. Oder ganz gemütlich Computer spielen.
    Nur dass das Spiel nicht mehr startete. Das verdammte Scheißspiel.
    Um sich zu beschäftigen und seinem morgendlichen Ausflug einen Grund zu geben, schlenderte Nick einmal um die St Andrew’s Church herum. Betrachtete den roten Backsteinbau mit seinem hellen, eckigen Turm und fasste einen Entschluss: Es war idiotisch, jetzt heimzufahren, ohne die Eibe wenigstens kurz begutachtet zu haben.
    Uralte, schiefe Grabsteine standen im Schatten des Baumes. Sehr stimmungsvoll, fand Nick. Er berührte fast ehrfürchtig den gewaltigen Stamm. Würde man vier Leute brauchen, um ihn umspannen zu können? Oder eher fünf? Ohne jede Schwierigkeit hätte man auch Dinge innerhalb des Stamms verstecken können. Aber da war schon mal nichts, wenigstens nicht auf den ersten Blick. Nick steckte eine Hand in einen breiten Spalt im Holz und ertastete Erde, die sich im Inneren angesammelt hatte. Er richtete seinen Blick auf den Boden. Auch da war nichts – wie sollte es auch?
    Er ging weiter, duckte sich unter den tief hängenden Zweigen, erreichte die Rückseite des Baumriesen. Bückte sich.
    Etwas Hellbraunes, Eckiges lugte zwischen den Pflanzen hervor, die sich dicht an der rissigen Borke des Baumes gruppiert hatten. Nick bog die Stängel auseinander.
    Die Kiste hatte etwa die Größe eines dicken Buchs und war bei den Seitenkanten mit breitem schwarzem Klebeband umwickelt. Ungläubig hob Nick sie hoch, registrierte flüchtig, dass sie schwer war, und wischte gedankenverloren die haften gebliebene Erde ab.
    »Galaris«, stand in schwungvoller Schrift auf dem Holz und darunter ein Datum: 18.03. Nick kämpfte gegen ein Gefühl der Unwirklichkeit an.
    Der 18. März war sein Geburtstag.
     
    Die Tasche mit der Kiste darin auf den Knien, starrte Nick aus dem Fenster des Zuges. Ein Teil von ihm konzentrierte sich da rauf, die richtige Haltestelle nicht zu verpassen. Ein anderer, wesentlich größerer Teil versuchte, sich einen Reim auf all das zu machen. Es war fast zwei Uhr morgens gewesen, als der Bote ihm den Auftrag erteilt hatte, die Kiste zu suchen. Hatte sie zu diesem Zeitpunkt schon unter dem Baum gelegen? Und noch wichtiger: Wie war sie dort hingekommen? Wieso stand sein Geburtsdatum darauf? Was bedeutete das Wort ›Galaris‹?
    Mehr denn je wünschte er sich, seine Fragen mit Colin besprechen zu können. Er kannte sich bei Erebos bestimmt schon besser aus. Ob er auch zu der alten Eibe geschickt worden war?
    Nick stieg bei West Finchley aus, vor ihm lagen gute fünfzehn Minuten Fußmarsch, aber die konnte er immerhin durchs Grüne tun. Er kannte die Gegend, hier waren sie früher oft spazieren gegangen. Ein Paradies für Jogger und Hundebesitzer. Während Nick eine kleine Brücke über den Dollis Brook überquerte, zog er sein Handy aus der Hosentasche und wählte. Noch vor dem zweiten Läuten hob Colin ab. Nick war so überrascht, dass er für einen Moment vergaß, weswegen

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