Erebos
ihn einkassiert hatte. Er würde es also dem Boten gegenüber nicht verheimlichen können.
»Ich hätte gern, dass du mir hilfst, Nick. Ich will ganz offen sein: Bisher war ich in meinem Kampf noch nicht sehr erfolgreich. Ein paar der Schüler, die ausgeschieden sind, haben mit mir geredet. Doch auf ihrem Computer ist das Spiel nicht mehr zu finden. Ich denke, dass Polizeispezialisten da mehr Chancen hätten, aber ich kann die Polizei erst einschalten, wenn etwas passiert ist.« Er seufzte. »Ich habe große Angst, dass etwas passiert. Du nicht?«
Nick produzierte ein undefinierbares Geräusch, irgendwo zwischen Schnauben und Husten. »Was soll denn passieren?«, sagte er, da Mr Watson offensichtlich auf eine Antwort wartete.
»Ich weiß nicht. Sag du es mir.«
»Also, ich weiß es auch nicht.«
Mr Watson musterte ihn scharf. »Ich finde das, was Eric passiert ist, schon schlimm genug. Natürlich kannst du jetzt sagen, dass er selbst schuld ist, wenn er Aisha belästigt. Aber Aisha will nicht zur Polizei gehen. Um keinen Preis. Seltsam, oder?«
Wieder zuckte Nick mit den Schultern, beklommener diesmal. »Wahrscheinlich ist es ihr peinlich, das könnte ich gut verstehen. Ist doch ihre Sache.«
»Ja. Sicher. Jeder hier kümmert sich nur um seine eigenen Angelegenheiten, nicht? Dein Freund Jamie ausgenommen, der hat beschlossen, die Dinge in die Hand zu nehmen. Ist dir das nicht aufgefallen?«
»Kann ich jetzt wieder gehen? Ich weiß nämlich nicht, wie ich Ihnen helfen könnte.«
Mr Watson nickte resigniert. »Du kannst jederzeit zu mir kommen, wenn du Unterstützung brauchst, ja? Du und die anderen.«
Nick verließ die Klasse. Er beeilte sich ein bisschen zu sehr, um cool und sicher zu wirken, das war ihm klar. Aber egal. Mr Watson hatte die Pistole nicht erwähnt. Das war die Hauptsache.
»Gibt es Neuigkeiten, die du mir berichten kannst?«
Sarius steht dem Boten an einem völlig unbekannten Ort gegenüber. Hier war er noch nie. Es ist ein Hügel, der von einem verfallenen Turm beherrscht wird. Der Turm übt eine beunruhigende Anziehungskraft auf Sarius aus. Er lässt die Größe der Burganlage spürbar werden, zu der er früher gehört haben muss, gleichzeitig wirkt er, als könne er jederzeit einstürzen. An seiner linken Seite zieht sich einmal mehr eine merkwürdige Hecke durch die karge Landschaft. Sie ist der Länge nach zweigeteilt: halb grün, halb gelb. Das Gelb rührt von trichterförmigen Blüten her, die auf der linken Heckenhälfte in unglaublicher Dichte wachsen, während sie die rechte Seite völlig aussparen.
Unwillkürlich muss Sarius an einen verrückten Gärtner denken, der irre kichernd seine seltsamen Gewächse mitten in das graue, steinige Land pflanzt.
Sarius will das Gespräch mit Mr Watson nicht erwähnen, wenn er nicht muss. Er versucht es mit etwas anderem. Etwas Positivem, das er nicht begreifen kann.
»Ich hatte den Eindruck, dass Emily Carver beginnt, sich für Erebos zu interessieren. Sie war bisher nicht so begeistert davon, doch heute hat sie angedeutet, dass sich das geändert hat.«
»Aha. Gut, Sarius. Das genügt für heute, du gehst jetzt besser. Wir nähern uns Ortolans Festung, musst du wissen. Hier ist größte Vorsicht geboten. Wenn du der Hecke westwärts folgst, stößt du auf ein Denkmal. Ein Monument geradezu.«
Er kichert, was Sarius Schauer über den Rücken laufen lässt.
»Dort findest du befreundete Krieger – möglicherweise aber auch einige Feinde, die es zu besiegen gilt. Viel Glück.«
Die Hecke leuchtet im Dunkeln, wie praktisch. Schnurgerade wie eine Leitlinie verläuft sie durch die Landschaft. Einen Moment lang glaubt Sarius, etwas in ihr zu erkennen, wie bei einem Vexierbild. Eine Wahrheit, die sich hinter dem Offensichtlichen verbirgt. Doch der Eindruck verschwindet so schnell, wie er gekommen ist.
Der Weg kommt Sarius lang vor. Doch er muss richtig sein, die leuchtende Hecke lässt keinen Zweifel daran.
Dann sieht er etwas Riesiges in weiter Entfernung, wahrscheinlich das Denkmal. Nur dass es sich bewegt. Beim Näherkommen erkennt Sarius, was es ist, nämlich eine bekannte griechische Skulptur: ein Mann – dessen Name ihm nicht einfällt – und seine zwei Söhne, die von gewaltigen Seeschlangen erwürgt werden. Hoch oben auf ihrem Sockel kämpfen die drei steinernen Menschen um ihr Leben, während die Schlangen sich um ihre Leiber winden.
Ein ganzer Haufen Krieger steht um den Sockel herum. Drizzel ist da, LordNick, Feniel,
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