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Erebos

Erebos

Titel: Erebos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
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konntest dich bisher immer auf mich verlassen, oder?«
    »Ja.«
    »Kann ich mich auch auf dich verlassen, Sarius? Selbst wenn es schwierig wird?«
    »Natürlich.«
    »Gut. Dann will ich dir noch einmal helfen. Aber du musst einen Auftrag für mich erledigen und diesmal darfst du nicht ungeschickt sein.«
    Der Verletzungston ebbt ab und Sarius richtet sich langsam auf. Das war knapp. Beim nächsten Mal wird er sich zusammennehmen, so etwas wird ihm nie wieder passieren. In zwei Tagen ist der Arenakampf, da will er fit sein.
    »Ich werde den Auftrag erledigen. Er kann ruhig schwierig sein. Kein Problem.«
    Der Bote nickt bedächtig.
    »Ich bin erfreut, das zu hören. Lass mich dir zuerst eine Frage stellen. Mr Watson ist dein Englischlehrer?«
    »Ja.«
    »Man sagt, er trägt oft eine Thermoskanne mit sich herum. Stimmt das?«
    Sarius muss kurz überlegen.
    »Ja. Ich glaube, da ist Tee drin.«
    »Gut. Du wirst morgen fünf Minuten nach Beginn der dritten Stunde die Toilette im ersten Stock aufsuchen. Die, bei der der Spiegel über den Waschbecken einen Sprung hat. Im Mülleimer wirst du eine kleine Flasche finden. Ihren Inhalt sollst du in die Thermoskanne von Mr Watson schütten. Welcher Art dieser Inhalt ist, hat dich nicht zu kümmern. Doch deine Geschicklichkeit wird gefordert sein: Es darf dich niemand dabei beobachten.«
    Sarius hat die Erklärungen des Boten mit wachsender Ungläubigkeit verfolgt. Kurz erwägt er, einfach davonzulaufen, so zu tun, als hätte er kein Wort mitbekommen. Er kann aber auch nur hier liegen bleiben und darauf warten, dass der Bote alles zurücknimmt, es zu einem schlechten Scherz erklärt. Doch sein Gegenüber verschränkt nur die Arme vor der knochigen Brust.
    »Nun? Hast du alles verstanden?«
    Sarius gibt sich einen Ruck. »Ja.«
    »Wirst du es tun? Da die Aufgabe schwierig ist, wird die Belohnung reichlich ausfallen. Eine neue magische Kraft und drei Level. Dann bist du eine Elf, Sarius. Als Elf hast du bereits Chancen auf einen Platz im Inneren Kreis und ich könnte dir dessen schwächstes Glied nennen.«
    Sarius atmet tief durch. Es ist ein Spiel, nicht? Wahrscheinlich verlangt der Bote nur eine Mutprobe und in dem Fläschchen ist Milch. Oder Traubenzucker.
    »Ich tu es.«
    »Ausgezeichnet. Ich erwarte morgen deinen Bericht.«
    Die Finsternis kommt diesmal schnell und lässt Sarius in nie gekannter Ratlosigkeit zurück.
     
    Schaffen. Erhalten. Zerstören.
    Für jede dieser Aufgaben haben die Hindus eine eigene Gottheit. Ich bewältige all das alleine.
    Ich habe geschaffen, was niemand vor mir geschaffen hat, aber die Welt ist nicht mein Zeuge und wird es niemals sein.
    Danach habe ich versucht, das Geschaffene zu erhalten – mit all meiner Kraft, meinem ganzen Willen. Unter Schmerzen, manchmal auch unter Tränen und auf jeden Fall mit beträchtlichen Opfern.
    Nun werde ich zerstören. Wer will es mir übel nehmen? Wenn es Gerechtigkeit gibt, wird wenigstens dieses Letzte gelingen. Lieber wäre ich Schöpfer geblieben und hätte mich an meiner Schöpfung erfreut, sie erhalten, sie mit anderen geteilt. Aber auch der Zerstörung lassen sich interessante Aspekte abgewinnen. Ihr Reiz liegt in der Endgültigkeit.

20.
    Nick konnte sich nicht erinnern, wann er das letzte Mal so schlecht geschlafen hatte wie in der vergangenen Nacht. Er hatte den Auftrag in Gedanken hin und her gedreht, sich abwechselnd beruhigt und in Panik versetzt, Hunderte Male versucht, sich das Szenario des nächsten Tages vorzustellen. Er hatte sich bemüht, einen Plan zu entwickeln, doch spätestens, wenn es darum ging, die Thermosflasche aufzuschrauben und die unbekannte Substanz hineinzuschütten, war der Film jedes Mal abgerissen.
    Nun aber war es so weit. Vor zwei Minuten hatte es zur dritten Stunde geläutet. Nick ging mit hämmerndem Herzen die Treppe in den ersten Stock hinauf.
    Er hatte die Stunde frei. Einer der vielen Vorteile, wenn man endlich im sechsten Schuljahr war. Die anderen, die gerade keinen Unterricht hatten, waren in der Bibliothek oder im Gemeinschaftsraum; Nick glaubte nicht, dass jemand ihm folgte. Trotzdem sah er sich ständig um. Wartete insgeheim darauf, dass Dan oder Alex oder irgendjemand anderes ihm mit einer Kamera auflauern würde.
    Vor der Tür zu den Toiletten blieb Nick stehen. Er wünschte sich weg, weit weg. Das half aber jetzt nichts.
    Also los. Tür auf. Ein schneller Blick in den gesprungenen Spiegel, in das blasse Gesicht mit den tiefen Augenringen.
    Da, links von den

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