Erfindung der Violet Adams
Bewerbungsgespräch, denke ich. Es wird schwer werden, das ein ganzes Jahr durchzuhalten, aber eigentlich kommt es nur auf die ersten Wochen an. Danach wird niemand mehr einen Verdacht äußern, denn um das zu tun, müsste er zugeben, dass er sich anfangs von dir hat täuschen lassen.«
»Welche Erfindung bringst du zu deinem Bewerbungsgespräch mit?«, fragte Jack.
»Meinen Kinderwagen«, antwortete Violet. Jack hatte gesehen, wie sie im letzten Sommer angefangen hatte, ihn zu bauen.
»Gut. Aber vielleicht ein wenig zu praktisch für manche der Professoren.«
»Ich weiß. Daher habe ich zusätzlich eine Reihe Aufziehenten entworfen, die einander folgen, ohne miteinander verbunden zu sein.«
»Tatsächlich? Kann ich sie sehen?«
»Aber sicher. Sie sind im Labor. Ich habe echte Federn verwendet.«
»Wie außergewöhnlich.«
»Sollen wir drei noch kurz in meinem Labor vorbeischauen?«
»Gute Idee«, sagte Ashton und ging zurück zum Haus. »Da unten kann Mrs Wilks uns nicht durch eines der Fenster beobachten.« Ashton lächelte und winkte Mrs Wilks kurz zu, die derzeit noch häufiger als sonst durch die Fenster ein Auge auf sie hatte.
Violet war aufgeregt und glücklich, als sie zurück zum Haus gingen. Ihr Anzug war bequemer, als sie es erwartet hatte, ihr Kinderwagen perfekt vorbereitet, und die magnetischen Entenkinder waren fertig und funktionierten wunderschön. Und sie war sich ziemlich sicher, dass das morgige Bewerbungsgespräch ihr Zutritt zur Illyria-Akademie gewähren würde.
Ashton freute sich dagegen auf eine Ballsaison in London als Junggeselle. Es gab Shows, die er sehen und Pubs in den schlechteren Teilen der Stadt, denen er einen Besuch abstatten wollte. Und natürlich Partys und Affären und kleine Skandale, die er zumindest aus der Ferne beobachten konnte, wenn er schon nicht in sie verwickelt war. Wie jeder Dandy, der seines Namens würdig war, genoss Ashton einen guten Skandal schon deshalb, weil er es liebte, die älteren Leute mit geschockten Gesichtern herumlaufen zu sehen. Er war noch in einem Alter, in dem er geschockte Gesichter so interpretierte, dass er etwas im Leben der Betreffenden verändert hatte. Er hatte noch nicht begriffen, dass ein kleines Lächeln Zeugnis eines viel größeren Eindrucks sein konnte.
Sie gingen ins Labor und spielten mit Violets mechanischen Enten, und bald darauf aßen sie zu Abend und begaben sich ins Bett. Doch Violet fand keinen Schlaf. Sie wälzte sich hin und her und starrte die Decke an und dachte an das wenige, das sie bisher von Illyria gesehen hatte. Als sie einschlief, träumte sie, dass der Duke ihr die Akademie zeigte und nicht nur den Garten.
Als Violet am nächsten Tag in der Kutsche saß, hielt sie sich an ihrer Tasche fest und bereitete sich auf das Bewerbungsgespräch vor.
»Die technischen Bedingungen für die Raumfahrt«, wiederholte sie leise und heiser, »sind bereits erforscht, auch wenn es noch großer finanzieller Unterstützung und vieler Experimente bedarf. Doch die wissenschaftlichen Grundlagen sind vorhanden.«
»Gut«, sagte Ashton, »das klingt schon gut. Versuch, nicht so geziert und mit spitzen Lippen zu reden. Die Lippen müssen schmal und dein Kinn entschlossen sein.«
Violet runzelte die Stirn, da ihr bisher nie der Gedanke gekommen war, dass sie geziert sprechen könnte. Zu ihrer Verwunderung war sie beim Aufwachen wegen des Bewerbungsgesprächs nervös gewesen. Ihr Selbstbewusstsein, das auf andere oft überwältigend wirkte, schwächelte gerade jetzt, wo sie es am meisten brauchte. Was, wenn ihre Verkleidung lächerlich war und sie sich vor den genialsten Wissenschaftlern der Welt zum Clown machte? Oder, noch schlimmer, wenn man ihr zwar die Verkleidung als Mann abnahm, sie jedoch als nicht gut genug für die Illyria-Akademie befand? Das wäre ein vernichtender Schlag. Sollte das passieren, schwor sie sich, würde sie nie wieder etwas erfinden und sich ab sofort wie das hübsche, unbekümmerte Ding verhalten, das Mrs Wilks aus ihr machen wollte. Und sie würde noch vor dem Ende des Jahres einen langweiligen, respektablen Parlamentarier heiraten. Wenn sie vorher nicht vor Kummer starb.
»Versuch es noch mal«, ermutigte Ashton sie. Violet schob ihre Sorgen beiseite und versuchte, tapfer auszusehen. Doch Ashton durchschaute sie. »Du machst dir Sorgen, nicht wahr?« Violet nickte. »Nun, ich wüsste nicht, warum du dir Sorgen machen solltest. Ich bin mir sicher, dass meine Meinung in wissenschaftlichen Dingen
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