Erfindung der Violet Adams
seine eigenen ausgab und deshalb so wenig publiziert hatte. Vielleicht war sogar Shakespeare, das Kaninchen, von jemand anderem entworfen worden, vielleicht von seinem Vater. Es war traurig zu sehen, wie weit der Apfel vom Stamm gefallen war. Die Zuhörer waren aufgestanden und applaudierten. Violet applaudierte nicht. Jack sah sie fragend an, doch sie sagte nichts. Sie würden später darüber reden.
Schüler und Professoren verließen der Reihe nach die Große Halle und strebten Richtung Speisesaal zum Essen. Violet war verblüfft, wie der Duke ihren Essay, der wirklich nicht sehr lang war, zu einer zweistündigen Vorlesung hatte ausbauen können. Er musste sich im Gegensatz zu ihrer einfachen und präzisen Sprache sehr viel blumiger und hochfliegender ausgedrückt haben. Wie lächerlich.
»Weswegen schmollst du?«, wollte Jack wissen, der am Tisch neben ihr saß. Sie hatte die Arme noch immer verschränkt und keine Lust etwas zu essen.
»Das war mein Essay, Jack! Ich habe ihn für mein Bewerbungsgespräch geschrieben, das über die Raumfahrt und was eventuell möglich ist, und er hat jedes Wort, das ich geschrieben habe, kopiert!«
»Hat er das?«, fragte Jack überrascht. Seine Augen wurden schmal vor Empörung.
»Ja«, sagte Violet, »und ich habe für alle Zeit den Respekt vor ihm verloren.«
»Vor wem hat er für alle Zeit den Respekt verloren?«, fragte Toby und setzte sich.
»Vor dem Duke. Er fand die Vorlesung furchtbar«, antwortete Jack. Obwohl er Violets Worte nicht anzweifelte und seine Meinung über den Duke plötzlich geändert hatte, wollte er nicht, dass Violet oder er durch irgendwelche Beschuldigungen in Schwierigkeiten gerieten.
»Ach, tatsächlich?«, fragte Drew und setzte sich ebenfalls. »Ich fand sie verdammt brillant.«
»Das war sie auch«, erwiderte Violet, als sie vom Tisch aufstand und den Speisesaal verließ.
Jack blickte Violet nach. Sie war wütend und hatte jedes Recht der Welt dazu. Er würde später mit ihr reden, wenn sie sich etwas beruhigt hatte.
»Ich dachte, er hätte ins Schwarze getroffen, als er über die Notwendigkeit einer sicheren Verbrennung und über seine Ideen zur Herstellung eines Treibstoffes gesprochen hat, um diese zu ermöglichen«, fuhr Drew fort. »Ich habe richtig Lust bekommen, das ganze Parfümgeschäft hinzuschmeißen und zum Mond zu fahren.« Er lächelte sie drollig an. »Aber natürlich werde ich das nicht. Der Mond ist wahrscheinlich furchtbar. Die Mondmenschen könnten mich fressen.«
»Stimmt«, sagte Toby. »Das könnten sie.«
Jack grinste sie an und fragte sich, wie viel Violet wirklich von der Vorlesung mitbekommen hatte. Er hatte ihren Essay nicht gelesen, doch einige der Ideen, die der Duke präsentiert hatte, machten durchaus den Eindruck, als könnten sie von ihr stammen. Andere Teile hingegen schienen nicht ganz ihr Gebiet zu sein. Violet war nicht sonderlich bewandert in chemischer Verbrennungstheorie, und Jack dachte, dass sie sich sogar gegen die Notwendigkeit der Verbrennung in der Raumfahrt ausgesprochen hatte. Er war sich nicht sicher. Vielleicht litt sie noch immer unter den Nachwirkungen ihres Gelages am gestrigen Abend oder des Mittels dagegen, das sie heute Morgen genommen hatten. Oder sie vermisste einfach ihren Bruder.
Das Mittagessen ging für die drei schnell vorbei, während Toby Drews Angst vor den Mondmenschen ausspann und Jack davon fantasierte, was er sagen wollte, wenn er nachher Cecily aufsuchen würde. Und schon bald stand Jack im Biologielabor und starrte auf Dorian hinunter, der bis auf ein musikalisches Lallen nichts von sich gab. Er machte jedoch einen zufriedenen Eindruck, deshalb ließ Jack ihn in Ruhe, sagte Valentine, dass er Arbeitsmaterial brauchte, und wanderte zum Chemielabor hinüber, die Hände in den Taschen und ziemlich nervös.
Cecily arbeitete an einem der Tische. Sie trug einen Arbeitskittel über ihrem Kleid und hatte eine große Schutzbrille vor den Augen. Ihr Haar war zurückgekämmt und hochgesteckt, und sie beugte sich vorsichtig über ein Becherglas mit einer weißen Flüssigkeit, über das sie eine Pipette hielt. Jack winkte Drew und Toby zu, die ihn fragend ansahen, bis er zu dem Tisch gegenüber von Cecilys ging. Sie grinsten und wandten sich wieder ihren Projekten zu. Jack beobachtete Cecily bei der Arbeit und wartete eine Weile, bevor er sie ansprach.
»Sie müssen zur Seite gehen«, sagte sie, ohne aufzublicken. »Sie stehen mir im Licht, und ich muss genau sehen, wie
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