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Erfolg

Erfolg

Titel: Erfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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erkannte jetzt betreten, daß er von ihm nur wenig gesehen hatte.
    Während der Maler Landholzer ihm das Bild vorhielt, kam der Wärter, sie zum Spaziergang abzuholen. Eilig steckte der Mann das Bild weg, schnürte das Bündel zu, brachte die Packen wieder an ihren rechten Ort. Der Wärter, mit etwas derber, berufsmäßiger Freundlichkeit, forderte ihn auf, er möge also jetzt aufbrechen. Aber der Mann weigerte sich, war verändert, erregt, schimpfte. Er denke nicht daran, in solcher Verfassung spazierenzugehen. Sich in Begleitung des Herrn Kollegen, seines Freundes, in solchem Zustand zu zeigen, das sei nicht anständig. Er verlange, anständig rasiert zu werden. Man tat ihm den Willen.
    Kaspar Pröckl war sehr stolz, daß der Maler Landholzer ihn seinen Freund und Kollegen genannt hatte. Er konnte mit dem Wärter dableiben, als der Friseur kam. Der Maler Landholzer, während der Friseur an ihm herumarbeitete, saß aufgeräumt, listig lächelnd, voll Freude an der Prozedur. Hielt großartige Reden. Ja, er habe beschlossen, sich den Bart abnehmen zu lassen. Wechsel war notwendig, tat gut. Wechsel erhielt jung. Alle sieben Jahre erneuere sich der Leib in seinen sämtlichen Zellen.
    Das struppige Haar fiel zur Erde, aus dem Gewirr schälte sich das nackte Gesicht des Mannes. Friseur und Wärter blickten mit zunehmendem Erstaunen von dem Kranken zu dem etwas gezwungen dasitzenden Besucher, tauschten Blicke untereinander. Der Maler Landholzer verlangte einen Spiegel, beschaute sich, beschaute Kaspar Pröckl, nickte, lächelte schlau, befriedigt. Kaspar Pröckl saß dumm und verständnislos daneben. Es war ein Einverständnis zwischen dem Wärter, dem Friseur und dem Kranken, und er kam nicht darauf. Erst spät, als sich unter dem Rasiermesser das ganze Gesicht des Mannes nackt und neu herausgelichtet hatte, erkannte er, daß es sein eigenes Gesicht war. Er erschrak ins Mark. Ja, der Kranke und er, selbst die stumpfen Augen des Wärters und des Friseurs sahen es, schauten aus wie Zwillinge.
    Der Maler Landholzer und Kaspar Pröckl gingen in dem Wald von Niedertannhausen spazieren. Es war schöner, weiter Wald mit dickbemoostem Boden, man ging pfadlos zwischen alten Bäumen. »Kommen Sie, Genosse Ingenieur«, sagte der schizophrene Erfinder Fritz Eugen Brendel, als Kaspar Pröckl über eine Wurzel stolperte, und faßte ihn unter.
    Schließlich setzte man sich auf Baumstümpfe, und der Maler Landholzer zeichnete. Er zeichnete zwei genau gleiche Männer, auf ganz gleichen Baumstümpfen hockend, sich einander mit den gleichen heftigen, wüsten, sonderbar verdrehten Augen listig anschielend. Es waren aber diese Männer der Ingenieur Kaspar Pröckl und der Ingenieur Franz Landholzer. Er schwieg, während er zeichnete; auch Kaspar Pröcklschwieg. Der Wärter lag irgendwo in der Nähe auf dem Boden, las die Zeitung, schlief. Als der Maler Landholzer zu Ende war, sagte er verschmitzt: »Wer einmal die Wahrheit spricht, dem glaubt man nicht, und wenn er noch so oft lügt.«
    Die Rückfahrt Kaspar Pröckls nach München geschah in tiefer Verwirrung wie in Fieber und Flucht. Er lenkte mechanisch den Wagen, sah mechanisch die Wegtafeln, bemerkte nicht, ob die Straße schmal war oder breit. Er wußte nicht, ob die Kunst des Malers Landholzer gut oder böse war. Er wußte auch nicht, ob sie Rache war. Aber er wußte dies, daß alle diese Menschen und Dinge, die der Maler Landholzer gemacht hatte, so weiterleben mußten, genau so, wie er sie gemacht hatte. Es war ganz gleichgültig, ob etwa diese Richter in der Wirklichkeit brave Männer waren oder nicht, ob sie als Minister endeten, hochgeehrt, oder als Lumpen und Bettler: ihr wirkliches Leben lag aufgezeichnet und besiegelt ein für allemal auf den Blättern der verschnürten Packen in der Heil- und Pflegeanstalt Niedertannhausen.
»Der Westöstliche Gleiche«
    Der Maler Landholzer am andern Tage bestand zur Verwunderung aller darauf, daß er nochmals rasiert werde. Beschaute sich dann lange, lächelnd, im Spiegel. Schrieb unter die Zeichnung aus dem Walde: »Der Westöstliche Gleiche«. Verschaffte sich, nicht ohne Schwierigkeit, einen festen Karton und ein Kuvert, bat Dr. Dietzenbrunn um die Adresse Kaspar Pröckls, verpackte umständlich und gewissenhaft den »Westöstlichen Gleichen«, schickte ihn seinem Besucher. Dann, den Nachmittag über, schrieb er sehr sorgsam folgendes:

    »1. Preisausschreiben. Das Reich ist das Fundament der Gerechtigkeit. Es wird eine Lösung

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