Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Erfolg

Erfolg

Titel: Erfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
Vom Netzwerk:
Aussage abzusehen. Daß Dr. Krüger im Laufe der Nacht bei Ihnen war, schließt nichtaus, daß er früher bei Fräulein Haider war. Die Anklage wird sich selbstverständlich auf den Standpunkt stellen, daß er eben auch bei Ihnen war.« Johanna schwieg; senkrecht standen über der Nase drei kleine, angestrengte Furchen in der sonst sehr glatten Stirn. Der Anwalt zerkrümelte Brot. »Ich glaube nicht, daß Richter und Geschworene durch Ihre Aussage beeinflußt werden. Im Gegenteil, es wirkt möglicherweise ungünstig, wenn festgestellt wird, daß der Angeklagte Beziehungen auch zu Ihnen hatte. Die Aussage wird für Sie nicht angenehm sein«, sagte er, sie plötzlich wieder mit den Augen packend, mit sehr klarer Stimme. »Man wird Sie nach Details fragen. Ich stelle anheim, von der Aussage abzusehen.«
    »Ich möchte aussagen«, erklärte eigensinnig das Mädchen ihm ins Gesicht; immer, wenn sie einen anschaute, drehte sie den ganzen Kopf mit. »Ich möchte aussagen«, wiederholte sie, »ich kann mir nicht denken, daß …«
    »Sie leben doch lange genug in dieser Stadt«, unterbrach ungeduldig der Anwalt. »Sie können sich doch mit mathematischer Sicherheit ausrechnen, welche Wirkung Ihre Aussage haben wird.« Johanna saß verbissen da. Der starke, zusammengepreßte Mund drang rot vor aus dem blaßbräunlichen Gesicht. Der Anwalt machte darauf aufmerksam, daß Krüger selber nicht wünsche, daß sie aussage.
    »Ach, das ist eine Geste«, sagte Johanna und hatte unvermittelt ein kleines, amüsiertes Lächeln. »Wenn er etwas noch so gern will, immer spielt er zuerst den Höflichen und ziert sich. «
    »Ich will mich natürlich bemühen«, sagte Dr. Geyer, »aus Ihrer Aussage alles herauszuholen, was möglich ist. Tapfer sind Sie ja«, fügte er mit einem fatalen Lächeln hinzu, denn Komplimente zu machen war er nicht gewöhnt. »Über die Peinlichkeiten der Aussage sind Sie informiert?« fragte er plötzlich noch einmal, sehr sachlich.
    »Ja«, sagte Johanna Krain mit einem etwas unwirschen Schnauben durch die Nase. »Das werde ich aushalten«, sagte sie.
    »Aber ich stelle dennoch anheim, von der Aussage abzusehen«, beharrte hartnäckig der Anwalt. »Es wird wirklich nichts dabei herausschauen.«
    Die Haushälterin Agnes kam herein, dürr, groß, mit gelbbraunem, rasch gealtertem Gesicht. Aus schwarzen, heftigen Augen schaute sie mit mißtrauischer Neugier auf die junge, feste Frau. Sie räumte umständlich das Geschirr weg, billige, blaugemusterte Ware aus den Süddeutschen Keramiken Ludwig Hessreiter & Sohn, und wechselte die Tischdecke, während Dr. Geyer und Johanna schwiegen.
    »Können Sie sich erinnern«, fragte auf einmal, als die Haushälterin fort war, der Anwalt, »wann in dieser Nacht Dr. Krüger zu Ihnen kam? Die genaue Uhr meine ich.« Johanna überlegte. »Es ist lange Zeit her«, sagte sie. »Das ist mir nicht unbekannt«, erwiderte Dr. Geyer. »Aber sehen Sie, der Chauffeur Ratzenberger zum Beispiel kann sich trotzdem an die genaue Zeit erinnern. Ich habe ihn gefragt, wann der Dr. Krüger das Auto verließ. Gleich nach zwei Uhr, sagte er. Man hat kein Gewicht auf diese Aussage gelegt, aber sie steht im Protokoll.«
    »Ich werde meine Erinnerung überprüfen«, sagte langsam Johanna Krain. »Wenn ich mich zum Beispiel erinnern sollte, daß Martin Krüger schon um zwei Uhr zu mir kam …?« sagte sie, angestrengt nachdenkend.
    »Dann wäre zumindest die Aussage des Chauffeurs sehr erschüttert«, erwiderte rasch der Anwalt. Er nahm ein Zeitungsblatt, faltete es auseinander, die Zeichnung mit den Köpfen der Geschworenen wurde sichtbar, das windige Gesicht des von Dellmaier. »Wahrscheinlich wird man selbst dann dem Chauffeur mehr glauben als Ihnen«, sagte Dr. Geyer und faltete sorgfältig die Zeitung wieder zusammen. »Immerhin hätte dann Ihre Aussage Sinn.«
    »Ich werde meine Erinnerung nachprüfen«, sagte Johanna und stand auf. Da stand sie, das Gesicht breit, klar, graue, kühne Augen über der stumpfen Nase, kräftig der Mund, ein großes, bayrisches Mädchen, entschlossen, ihrem unbesonnenenFreund auch mit Gefahr aus seiner blöden Geschichte herauszuhelfen.
    »Aber alles in allem«, beharrte der Anwalt, »stelle ich Ihnen anheim, von der Aussage abzusehen. Besonders, wenn Sie sich nicht sollten an die genaue Stunde erinnern können.« Johanna legte ihre etwas breite, großporige Hand in die schmale, dünnhäutige des Anwalts und ging.
    Aus dem Fenster des Nebenzimmers schaute ihr unter

Weitere Kostenlose Bücher