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Erfolg

Erfolg

Titel: Erfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Nase, die eckig herausspringenden Backenknochen, das etwas krampfig vorgestreckte Kinn. Es war kein Zweifel, er gehörte heute zu den unumstritten besten Anwälten Bayerns. Er hätte fort sollen aus dieser trägen Stadt, nach Berlin. Niemand verstand, daß er sich mit dem Abgeordnetensitz im Parlament dieses kleinen Landes begnügte, daß er sich nicht in die große Politik begab. Offensichtlich hatte er sich in seine albernen Kämpfe mit diesem läppischen Duodezdiktator, dem Klenk, offenkundig sich in seine belanglosen Scheinerfolge in diesem unbeträchtlichen Lande verbissen.
    Dr. Geyer, ein neues Zeitungsblatt umschlagend, hatte plötzlich jenes schreckhafte Zusammenzucken wie im Gerichtssaal, als ihn das unanständig alberne Lachen des Geschworenen von Dellmaier verwirrt hatte. Es war ein Berliner Mittagsblatt, das er in der Hand hielt, der Zeichner dieser Zeitung hatte frech und gut die Geschworenen des Prozesses Krüger porträtiert. Es waren Köpfe von hoffnungsloser Mittelmäßigkeit, ihre Stumpfheit war in wenigen Strichen erbarmungslos überzeugend eingefangen, und vornean, groß, zwei andere Köpfe überschneidend, war das Gesicht des Versicherungsagenten von Dellmaier, jenes windige, arrogante, hagere Gesicht, das der Anwalt nun Tage hindurch Stunde für Stunde sehen mußte. Es warf ihn immer wieder aus seinem nicht leicht erkämpften Gleichmut. Denn wo Dellmaier war, da war Erich nicht ferne; diese Burschen, so unzuverlässig in allem andern, in ihrer Unzertrennlichkeit waren sie zuverlässig. Erich. Der Anwalt hatte alles, was mit dem Komplex Erich zusammenhing, überdacht, geklärt, ausgesprochen. Es war erledigt. Endgültig. Allein er wußte, wenn der Junge leibhaft vor ihn hintreten wird, und einmal wird er vor ihm stehen und zu ihm reden, in diesem Augenblick wird eben nichts erledigt sein. Er hielt das Zeitungsblatt in der Hand, die andere Hand, im Begriff, ein halbgegessenes Brötchen zum Mund zu führen, war mittewegs steckengeblieben. Er starrte auf die Zeichnung, auf die paar Striche, die das freche, spöttische, windige Gesicht des Geschworenen wiedergaben. Dann mit einem Ruck riß er seine Augen weg von dem Zeitungsblatt, gebot sich, nicht mehr an den Dellmaier zu denken, und schon gar nicht an den Freund und Genossen des Dellmaier, an Erich, an den Jungen, seinen Sohn.
    Während er noch am Frühstück schlang, kam Johanna Krain. Wie sie mit ihren schnellen, festen Beinen ins Zimmer trat, im rahmfarbenen Kostüm, das den sportlich kräftigen, ebengewachsenen Leib gut umschloß, mit dem kühnen, breiten, blaßbräunlichen Gesicht, packte den Anwalt die Ähnlichkeit mit einer, an die er nicht denken wollte. Er wundertesich wie stets, wenn er sie sah, was dieses kräftige, entschiedene Mädchen mit dem immer wechselnden Krüger verknüpfte.
    Johanna bat, das Fenster öffnen zu dürfen; der Junitag kam in das dumpfige, unbehagliche Zimmer. Johanna setzte sich auf einen der lieblos hingestellten, schmalen, steiflehnigen Stühle. Dr. Geyer, sonst solchen Stimmungen nicht zugänglich, fand den Bruchteil eines Augenblicks, eigentlich könnte jemand daran denken, seine Wohnung etwas heller auszustatten.
    Johanna, die entschiedenen, grauen Augen auf ihm, bat ihn, weiter zu frühstücken, hörte ihm aufmerksam zu, wie er ihr die Prozeßlage auseinandersetzte. Er, sie nur zuweilen mit scharfem, spähendem Blick streifend, Brot brechend, Krümel zusammenscharrend, legte ihr dar, die Aussage des Chauffeurs Ratzenberger habe den Prozeß so gut wie aussichtslos gemacht. Die Glaubwürdigkeit des Chauffeurs anzuzweifeln, hätte vielleicht vor einem anderen Gericht Sinn. Dieses Gericht lasse eine Erörterung, wie die Aussage zustande gekommen sei, nicht zu.
    »Und meine Aussage?« fragte nach einem kleinen Schweigen Johanna.
    Der Anwalt, kurz aufschauend, dann in seinem Ei herumlöffelnd, präzisierte, was ihm Johanna früher mitgeteilt hatte. »Sie wollen also bekunden, daß Martin Krüger in der fraglichen Nacht vom 23. zum 24. Februar zu Ihnen kam und sich zu Ihnen ins Bett legte?« Johanna schwieg. »Ich brauche Ihnen nicht zu sagen«, erklärte der Anwalt, Johanna plötzlich aus der dicken Brille wieder scharf anstarrend, »daß damit nicht viel gewonnen ist. Die Tatsache, daß Dr. Krüger in dieser Nacht bei Ihnen war, entkräftet an sich nicht die Aussage des Chauffeurs.«
    »Kann man ihm zutrauen …?«
    »Man wird ihm zutrauen«, erklärte trocken der Anwalt. »Ich halte es für richtiger, von Ihrer

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