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Erfolg

Erfolg

Titel: Erfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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anstarrend. Sogleich in ihrem Rücken erhoben sie sich, folgten ihr. Zwei kleine Kinder kamen ihr entgegen, sonst war niemand auf dem Weg. Sie ging immer gleich langsam vor sich hin, drei zornige Furchen jetzt auf der breiten Stirn. Etwa drei Minuten wird sie noch haben, dann trifft wieder ein Weg den ihren, wahrscheinlich auch wird dieser Weg nicht die ganzen drei Minuten so leer bleiben. Die vier hinter ihr machten ihre unflätigen Bemerkungen so laut, daß sie sie unmöglich überhörenkann. Sie warten offenbar nur auf eine Antwort von ihr, dann ist der Krach da. Oh, aber sie wird klug sein, sie wird nicht reagieren. Sobald jemand kommt, ist sie die Lausejungen sowieso los. Da vorne taucht jetzt schon jemand auf, ein gutangezogener Mann, wie es scheint. Sie schaut gerade vor sich hin, auf die Brücke, die sich vor ihr schmal im Licht über den Fluß spannt, und in den Dunst hinein weit dahinten. Der Herr, der ihr entgegenkommt, wird größer, die vier sind unmittelbar hinter ihr, so daß sie ihr fast auf die Füße treten. Ihre derben, unflätigen Stimmen klingen ihr ins Ohr, sie scheinen getrunken zu haben. Der Herr, der ihr entgegenkommt, geht jetzt schneller, er ist aufmerksam geworden.
    »Fräulein, suchen Sie sich heut schon so früh einen Mann für die Nacht? Wie wäre es mit einem von uns? Wir können es auch zweimal, sogar drei- oder viermal, wenn es sein muß. Anschauen können Sie uns doch wenigstens. Oder muß man bei Ihnen ein Zeugnis mitbringen, daß man schon einen Meineid geschworen hat?«
    Sie bleibt in ihrem gleichmäßig langsamen Schritt. Aber jetzt, der Herr ist ganz nahe, fängt sie doch an, rasch zu gehen, ja, sie läuft ihm geradezu entgegen mit schaukelndem Rock. Es ist ein magerer Herr in einem guten, hellen Anzug mit einem scharfen, rotblonden Kopf. »Was gibt’s?« fragt der Herr mit einer hellen, etwas gequetschten Stimme. »Was wollen Sie von der Dame?« Johanna Krain steht ganz nahe an ihm, eine Hand nach ihm ausgestreckt, als wolle sie sich an ihn halten, den Mund halb offen, mehr ängstlich jetzt als zornmütig. »Na, eine Hure auf dem Strich wird man sich doch noch anschauen dürfen«, sagt einer. Es klingt behaglich, erklärend, ein bißchen nach Rückzug, gutmütig fast. Aber da hat ihn der Herr schon unterlaufen. Allein der Griff, wie er ihn unterkriegen will, glückt nicht. Der Herr scheint Jiu-Jitsu gelernt zu haben, doch nicht genügend. Jedenfalls liegt er sogleich am Boden, die vier hauen und puffen auf ihn ein. »Was geht Sie das überhaupt an?« schreien sie. Und »Sie sind wohl der Lude von der Dame?« schreit einer.
    Hinten auf dem Weg ist jetzt ein älteres Ehepaar aufgetaucht, auch von vorne kommen wieder Leute. Der blonde Herr liegt am Boden, rührt nicht den Mund und kein Glied. Johanna Krain schreit drauflos, einfach drauflos. Die Leute vorn setzen sich in raschere Bewegung; das Ehepaar hinten bleibt stehen, hat vermutlich Angst, in eine Rauferei verwickelt zu werden, dreht um.
    Die vier betrachten den am Boden. Er liegt, ohne sich zu rühren, er sieht schmutzig und sehr verknittert aus, über die Hand und übers Gesicht rieseln dünne Blutstreifen. Aber er atmet leise, die Augen geschlossen. »Jetzt hat er genug, der Hammel, der damische«, bemerkt einer, unsicher. »Sie hätten auch nicht gleich so schreien müssen, Fräulein«, sagt der in der Windjacke; »diese Weibsbilder schreien immer gleich, als ob sie am Spieß stäken.« – »Es hat Ihnen keiner an die Frisur wollen«, sagt der dritte. Aber der vierte sagt munter, abschließend, seinen dünnen Stock schwingend: »Na, nichts für ungut, Fräulein.« Und damit treten die vier einen geordneten, aber schnellen Rückzug an in der Richtung des verschwindenden Ehepaares, und gerade ehe die Leute von der andern Seite kommen.
    Johanna Krain kniet neben dem Liegenden, der Sand sticht in ihre Knie. Die vorne sind herangekommen, es ist auf einmal eine ganze Anzahl Leute: ein biederer Proletarier, ein mittelständisches Liebespaar, ein halbwüchsiges Mädchen mit einer Mappe, zwei Jungens, Studenten anscheinend, eine alte Spaziergängerin, an einem Stock humpelnd.
    Der blonde Herr blinzelt. »Sind sie fort?« fragt er vorsichtig. Dann, ein wenig mühsam, mit seiner hohen, gequetschten Stimme, zu Johanna: »Sie werden sich schmutzig machen.«
    »Können Sie sich rühren?« fragt man auf ihn ein. »Soll man einen Arzt holen? Sanität? Einen Schutzmann? Was war eigentlich?« Der Herr richtet sich halb hoch, ächzt und

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