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Erfrorene Rosen

Erfrorene Rosen

Titel: Erfrorene Rosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marko Kilpi
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Wörter und Redewendungen. Nur wie er beim Sprechen aussieht, das mag er nicht.
    Die Freundschaft, die ganz offensichtlich zwischen Jaakko und ihm besteht, hält Tossavainen nicht vom Lügen ab. Er erzählt Jaakko, er wolle seinem Praktikanten die Tätigkeit des Ermittlungszentrums vorführen. Das könnte sogar halbwegs wahr sein. Seltsamerweise konzentriert Tossavainen seine Aufmerksamkeit jedoch nur auf das allerneueste Material, das vom Ort der Explosion herbeigeschafft wurde. Und das ist ziemlich viel. Zerschredderte Materie, deren ursprüngliche Form und Funktion man nicht einmal mehr erraten kann. Dennoch bergen die Schnipsel eine ungeheure Menge Informationen in sich, die über das Geschehene berichten und auf Künftiges hinweisen können.
    »War es ein Unfall?«, schleudert Tossavainen eine direkte Frage ab.
    »Tja«, erwidert Jaakko gedehnt. »Wer will schon absichtlich Häuser in die Luft sprengen, würde ich fragen. Beziehungsweise frage ich mich. Sagen wir mal so: Falls man auf Baustellen heutzutage organische Peroxide verwendet, könnte es eventuell auch ein Unfall gewesen sein.«
    »Aber die verwendet man offenbar nicht«, mutmaßt Olli.
    »Ganz bestimmt nicht.«
    »Was ist das überhaupt?«, fragt Tossavainen.
    »Ihr habt doch schon von den Bauanleitungen für Bomben gehört, die man im Internet findet, oder? Da werden meistens organische Peroxide eingesetzt.«
    »Aha«, nuschelt Tossavainen und wartet auf die Fortsetzung.
    »Triacetonperoxid. In diesem speziellen Fall. Ein wirklich extrem potenter Sprengstoff, dessen Explosionsgeschwindigkeit 6930 Meter pro Sekunde beträgt.« Jaakko kommt allmählich in Fahrt. »Das ist ungefähr die gleiche Geschwindigkeit wie bei Trinitrotoluol, und die wiederum ist doppelt so groß wie zum Beispiel bei Dynamit. Von TNT habt ihr wohl schon mal gehört. Das verwendet die Armee.«
    Olli erinnert sich ausgesprochen gut an TNT. Im Militärdienst musste er neunzig Gramm TNT in der Hand halten, das mit einem Zünder und einer Lunte versehen war. Die Lunte brannte und Olli hatte die Aufgabe zuzuschauen, wie der Funke immer näher an den Zünder herankroch, also an das TNT und zugleich an seine Hand. Immer noch geistern ihm die Bilder durch den Kopf, die der Ausbilder ihm geschildert hat: Wie die Menge, die Olli festhielt, seine Hand auf kürzestem Weg ins Reich der Vergangenheit befördern würde, wie die Druckwelle nahezu jeden Knochen in seinem Körper brechen und seinen Schädel in eine unförmige Kugel verwandeln würde. Trotzdem würde er nicht unbedingt sterben. Wenn er Pech hätte, würde er als Monster weiterleben, dessen Handlungsfähigkeit sich aufs Zehenwackeln beschränkte. Obwohl der Selbsterhaltungstrieb protestierte, war nicht daran zu denken, den zischenden Klumpen wegzuwerfen, bevor der Ausbilder die Erlaubnis gab. Sie wurde in letzter Sekunde erteilt. Es lag im Interesse aller Anwesenden, dass der Wurf beim ersten Versuch gelang.
    Zweck des Unterrichts war es, die Angst zu verringern, zugleich aber den Respekt vor Explosivstoffen zu steigern. Bei Olli trug allerdings die Angst den Sieg davon, er ist nie ganz über das Erlebnis hinweggekommen. Olli und Sprengstoff passen einfach nicht zusammen, daran lässt sich nichts ändern.
    Bei Jaakko ist das anders. Sein Interesse für das Thema ist geradezu überbordend und es hat den Anschein, als werde seine Geduld endlich belohnt. Bisher hat er es nur mit Dynamit zu tun gehabt oder mit Sprengstoff, den irgendwer auf einer Baustelle gestohlen und mit den verrücktesten Methoden, aber erfolglos zu zünden versucht hat. Jetzt aber hat Jaakko einen richtig schweren Fall auf dem Tisch.
    »Organische Peroxide sind insofern problematisch, als sie praktisch von allein hochgehen können. Und meistens tun sie genau das. Bei denen muss man wissen, was man tut.«
    »Oder Schwein haben«, wirft Tossavainen ein.
    »So viel Schwein gibt’s gar nicht. Ein kleiner Stoß, ein Kratzer oder auch nur eine Temperaturschwankung reicht aus, um das Zeug zu zünden. Wenn es älter ist, kann es auch ohne jeden Anlass hochgehen. Der Kerl hatte so ungefähr sieben, acht Kilo davon. Bei der Menge brauchst du bloß mal zu niesen und dann gute Nacht.«
    »Wie hat er es wohl transportiert?«, überlegt Tossavainen laut.
    »In Kühltaschen.«
    »In Kühltaschen?«, wundert sich Olli.
    »Ja. An sich genial. Die Tasche dämpft eventuelle Stöße ab. Und hält natürlich die Temperatur stabil.«
    »Warum zum Teufel verwendet überhaupt jemand das

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