Erfrorene Rosen
schon längst angekündigt? Er sagt jedoch nichts, denn es ist offenkundig, dass Tossavainen überreagiert. Warum? Weil auch er Angst hat. Seltsamerweise wirkt diese Erkenntnis beruhigend auf Olli.
Rechts die Garderobe. An den Haken Mäntel. Ein Gabardinemantel und ein langer dunkelblauer Trenchcoat. Olli vergleicht ihn in Gedanken mit dem langen dunklen Mantel, den der Mann auf dem Kaufhausvideo trug. Eine Tür auf der linken Seite, eine zweite vorn rechts. Tossavainen drückt vorsichtig die Klinke herunter und zieht. Nichts tut sich. Er zieht fester, wagt aber offenbar nicht, die Tür mit einem Ruck aufzureißen. Abgeschlossen kann sie nicht sein, denn sie hat kein Schlüsselloch. Olli befürchtet allmählich das Schlimmste: eine Falle. Es wäre höllisch clever, Eindringlinge ins Haus zu lassen, sie in Sicherheit zu wiegen und sie so dazu zu bringen, die richtige Tür auf die falsche Art zu öffnen.
Tossavainen scheint seine Befürchtung nicht zu teilen. Olli will etwas sagen. Ihn warnen. Er hebt die Hand, lässt sie aber gleich wieder sinken. Dann öffnet er den Mund, doch bevor er ein Wort herausbringt, geht die Tür knarrend auf.
Nichts passiert, keine Explosion. Die Tür hat einfach geklemmt, sie hängt ein wenig schief in den Angeln. Verwundert mustert Tossavainen den bleichen, erschrockenen Olli.
Die Tür führt in die Küche. Dort steht ein alter Holzherd, wie man ihn in der Stadt nur noch selten antrifft. Vor dem Fenster ein Tisch und vier Stühle. Echte Siebzigerjahremöbel. Weiter hinten steht ein Sofa aus Holz mit einem ausziehbaren Bett unter dem Sitz. Tossavainen betrachtet die zweite Tür rechts neben dem Sofa, geht in die Küche und lässt Olli allein im Flur zurück.
Olli wirft einen Blick auf die zweite Tür im Flur und seufzt. Er packt die Klinke, drückt sie herunter und zieht kräftig daran. Wenn die Tür ebenso fest sitzt wie die vorige, verliert er mit vorsichtigem Ruckeln nur Zeit. Und wenn sie doch mit einem Sprengsatz verbunden ist, hat er es eben schneller hinter sich.
Die Tür geht auf und Olli späht in das Zimmer. Es ist ziemlich klein und wirkt wie eine Art Wohnstube. Rechts steht ein Bett, das nicht aussieht, als würde es täglich benutzt; eher scheint es sich um eine Art Gästebett zu handeln. Links ein Bücherregal mit Glastüren, hinter denen eine lange Reihe Auswahlbände von Reader’s Digest und eine alte illustrierte Bibel stehen. Zwei betagte Aalto-Sessel vor dem Fenster, dazwischen ein kleiner runder Tisch. Links eine weitere Tür, hinter der ein Lichtstrahl aufblitzt.
Der Raum hinter der Tür, den Tossavainen durch die Küche bereits betreten hat, erweist sich als das eigentliche Schlafzimmer. Ein schmales Bett mit Nachttisch vor dem Fenster, an der gegenüberliegenden Wand ein Fernseher. Allem Anschein nach ist das Haus seit längerer Zeit unbewohnt. Alles wirkt unberührt, gerade so, als hätte der Bewohner das Haus in dem Wissen verlassen, dass er nicht so bald zurückkommen wird. Wenn überhaupt.
Tossavainen legt die Hand auf den Heizkörper – er ist warm, wie er erwartet hatte. Er geht zurück in den Flur und sieht sich dort um, bis er findet, was er sucht. Eine unauffällige Tür, die in den Keller führt. Leise schleichen sie hinunter.
Am unteren Ende der Treppe stoßen sie auf eine Metalltür, hinter der es brummt. Tossavainen zieht sie vorsichtig auf. Ein Ölheizkessel wird sichtbar, von dem größere und kleinere Röhren abgehen. Tossavainen richtet seine Taschenlampe auf den Heizkessel und bückt sich, um ihn genauer zu inspizieren.
»Ein altes Ding«, bemerkt er.
»Und?«
»Ein so alter Heizkessel brennt nicht monatelang gleichmäßig weiter.«
»Also muss ihn jemand warten«, dämmert es Olli.
»Genau«, nickt Tossavainen und richtet sich auf.
Sie verlassen das Haus und sehen sich auf dem Grundstück um. Bei genauem Hinsehen wirkt es ziemlich ungepflegt. Aber wer unauffällig leben will, legt wahrscheinlich keinen prächtigen Garten an.
Tossavainen mustert das Haus und stellt fest, dass es für nur ein Stockwerk auffällig hoch ist. Seltsam, denn im Haus haben sie nur eine einzige Treppe gefunden und die führt in den Keller. Er stiefelt zur Rückseite des Hauses, die zum Wald hin liegt. Olli folgt ihm. Bald sehen beide an der rückwärtigen Giebelwand eine Außentreppe, die zur Mansardenetage führt.
Sie steigen hinauf und bleiben vor der Tür stehen. Auch hier zwei kleine rechteckige Fenster. Tossavainen schaut durch das untere Fenster
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