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Erfrorene Rosen

Erfrorene Rosen

Titel: Erfrorene Rosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marko Kilpi
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Weile spricht niemand. Stumm betrachten sie den reglosen Patienten, den Einzigen, der den gesuchten Mann möglicherweise kennt.
    »Er wartet schon lange auf eine Lebertransplantation. Es hat sich aber kein passendes Organ gefunden.«
    »Die Zeit wird wohl nicht mehr reichen«, meint Olli.
    »Nein, es geht zu Ende mit ihm«, sagt die Krankenschwester. »Jetzt würde er die Operation sowieso nicht mehr überstehen.«
    »Wann ist er ins Koma gefallen?«, erkundigt sich Tossavainen.
    »Das ist noch gar nicht so lange her. Ungefähr vor zwei Wochen.«
    »Und dieser Mann hat ihn besucht?« Noch einmal zeigt Tossavainen das Bild vor.
    »Ja. Soweit ich mich erinnere. Die beiden haben wohl auf der Chirurgischen nebeneinandergelegen und sich angefreundet. Aber nachdem der andere entlassen wurde, hat er sich kein einziges Mal mehr blicken lassen. Das fand ich schon seltsam.«
    »Hat Lauri Verwandte?«
    »Wahrscheinlich nicht. Es hat ihn jedenfalls sonst niemand besucht.«
    Olli, der am Fußende des Bettes steht, bemerkt eine Auffälligkeit im Gesamtbild. Wenn der Patient keine Verwandten hat, wenn niemand ihn besucht und auch sein mysteriöser Bekannter sich seit geraumer Zeit nicht mehr hat blicken lassen – woher kommen dann die Blumen, die an seinem Bett stehen?
    Olli schlängelt sich an der Krankenschwester vorbei zu dem Nachttisch. In einer Vase stehen Rosen. Blutrot, schon ein wenig welk, die Blütenblätter sind an den Rändern bereits gedunkelt und vertrocknet.
    »Die sind über Interflora gekommen. Ein Bote hat sie gebracht«, erklärt die Krankenschwester, als sie Ollis Interesse bemerkt.
    »Wer hat sie geschickt?«, fragt Tossavainen, der nun auch auf die Blumen aufmerksam wird.
    »Das weiß ich nicht. Auf dem Kärtchen steht kein Name.«
    Olli fasst die kleine Karte, die an dem Strauß hängt, vorsichtig an den Ecken, faltet sie auf und liest den in Zierschrift geschriebenen Sinnspruch vor. »Was auch immer geschieht, es geschieht das Richtige.«
    Tossavainen sieht Olli an, als warte er auf eine Fortsetzung, aber es kommt nichts mehr. Daraufhin wandert sein fragender Blick zu der Schwester.
    »Ziemlich merkwürdig«, sagt sie verlegen, als müsse sie sich dafür entschuldigen, dass auch sie keine Erklärung findet. »Wer schickt einem Sterbenden so etwas?«
    »Vielleicht dieser Mann hier«, meint Tossavainen und zeigt auf das Foto.
    »Kann sein«, sagt die Krankenschwester. »Aber warum so ein Spruch?«
    »Den könnte man seinem schlimmsten Feind schicken, wenn der im Sterben liegt«, stellt Olli fest. »Es klingt so ungefähr wie ›Ich pisse auf dein Grab‹.«
    »Na ja, es könnte doch auch tröstlich gemeint sein«, wendet die Krankenschwester ein. »In dem Sinn: Was immer wir tun, wir sind letztlich machtlos. Alles hat seinen Sinn, auch wenn es manchmal schlecht aussieht.«
    »Jedenfalls können die Blumen von keinem anderen sein«, resümiert Olli, lässt die Karte los und betrachtet die zahllosen Blütenblätter der Rosen.
    »Wir brauchen einige Gefälligkeiten«, erklärt Tossavainen, sieht der Krankenschwester in die Augen und geht auf sie zu.
    Die Frau fühlt sich unbehaglich, denn Tossavainen steht nun dicht vor ihr und sie kann nicht zurückweichen. Seine Miene verrät, dass er etwas von ihr will und dass er nicht bittet, sondern fordert.
    »Ich weiß nicht recht«, zaudert die Krankenschwester und versucht auszuweichen.
    »Es ist ungeheuer wichtig«, fährt Tossavainen fort und schiebt sich noch näher an sie heran. »Es hängt von Ihnen ab, ob es zu einer Katastrophe kommt. Sie wollen doch nicht, dass irgendwem etwas Schlimmes zustößt, oder?«
    »Ich kann mich ja nicht einmal genau erinnern, wie der Mann aussah. Hier gehen so viele Leute ein und aus …«
    Die Krankenschwester verstummt und sieht Tossavainen verwirrt an. Ihr ist plötzlich klar geworden, dass er ihr keine Wahl lässt.

Achtes Kapitel

    Tossavainens Peugeot kriecht auf einer schmalen, kurvenreichen Straße durch eine Eigenheimsiedlung. Über dem Vorort liegt eine friedliche Behäbigkeit, die fast mit Händen zu greifen ist und den Eindruck erweckt, alles stehe still, sogar die Zeit. Obwohl die Stadt nur einige Kilometer entfernt ist, spürt man hier nichts von ihr. Als habe kein Übel seine Tentakel in diesen Hort der Zufriedenheit ausgestreckt. Allerdings ist Tossavainen davon überzeugt, dass jedes Paradies seine Schlange hat.
    Er bremst und parkt unter einem Baum am Straßenrand vor einem mit dunkelgrünen Brettern verschalten

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