Erfrorene Rosen
das Beste sein. Solange Sie mir nicht schwarz auf weiß nachweisen, dass die betreffende Person für ihre Tat mindestens sechs Jahre Haft zu erwarten hat, passiert hier gar nichts. Punkt, aus.«
Sie messen sich mit den Blicken, Tossavainen wütend, der Arzt hochmütig. Er hat den Polizisten seine Macht demonstriert und die Partie gewonnen.
Tossavainen dreht sich um und geht hinaus. Olli folgt ihm. Der verachtungsvolle Blick, mit dem er den Arzt zum Abschied bedenkt, scheint einen flüchtigen Moment lang Wirkung zu zeigen, doch dann gewinnt die Selbstgerechtigkeit wieder die Oberhand.
Tossavainen steht im Flur, stützt sich mit den Armen an der Wand ab und schubbert den Kopf daran. Olli mustert derweil die Aufzüge.
»Abwärts!«, dringt eine metallische Frauenstimme aus dem Lautsprecher am Aufzug, dann klingelt es und die Tür schiebt sich auf.
Olli und Tossavainen betreten den Fahrstuhl. Die Tür schließt sich langsam, wird aber von außen wieder aufgeschoben. Die Krankenschwester steht davor und sieht die Männer aus verweinten Augen an. Sie streckt die Hand aus, Tossavainen tut es ihr gleich. Ein kleiner Zettel landet auf seiner Handfläche. Die Schwester wischt sich die Tränen aus den Augen. Tossavainen schenkt ihr ein freundliches Lächeln. Dann schließt sich die Tür erneut. Olli und Tossavainen sehen sich wortlos an. Erst dann blickt Tossavainen auf den Zettel. Darauf steht der Name Huttunen und Innere Station.
Vorsichtig betreten die beiden die Innere Abteilung. Sie müssen um jeden Preis eine weitere Begegnung mit der Ärztezunft vermeiden, denn dies hier ist ihre letzte Chance. Sie kommen zum Schwesternzimmer. Tossavainen sieht auf das Namensschild der Krankenschwester, die hinter dem Schalter sitzt. Huttunen steht darauf. Genau richtig.
»Polizei, guten Tag«, beginnt Tossavainen, ungewiss, ob das unter den gegebenen Umständen die richtige Einleitung ist. »Man hat uns auf der Chirurgischen Station Ihren Namen genannt, offenbar können Sie uns weiterhelfen.«
»So?«, wundert sich die Angesprochene. »Worum geht es denn?«
»Kommt Ihnen dieser Mann bekannt vor?«, fragt Tossavainen und zeigt ihr das unscharfe Bild der Überwachungskamera.
Die Schwester betrachtet es, versteht aber nicht, was es mit ihr zu tun haben soll.
»Natürlich sieht er bekannt aus«, sagt sie. »Das Bild ist ja schon mehrmals im Fernsehen gezeigt worden. Aber kennen tue ich den Mann nicht. Außerdem ist die Aufnahme so schlecht, dass man nicht viel damit anfangen kann. Sogar Sie könnten der Mann auf diesem Foto sein.«
»Warum hat man uns dann hergeschickt?«, wundert sich Tossavainen. »Und zwar ausdrücklich zu Ihnen.«
»Ich habe nicht die leiseste Ahnung. Als Patient war der Mann nicht hier … Wieso sollte ich ihn kennen?«
»Das wissen wir nicht«, gesteht Tossavainen.
»Und in der Chirurgie hat man gesagt …?«
»Ja.«
Die Krankenschwester betrachtet das Bild erneut, aus der Nähe und von Weitem. Sie sucht verbissen nach dem Grund, aus dem man sie mit dem Foto in Verbindung gebracht hat, denn inzwischen ist sie selbst neugierig geworden.
»Ist das womöglich …«
»Womöglich was?«, drängt Tossavainen.
»Lauris Bekannter. Sonst fällt mir keiner ein. Und wenn man Sie von der Chirurgischen hierher geschickt hat, wäre das immerhin …«
»Lauris Bekannter?«
»Ja. Lauri wurde vor gut einem Monat von der Chirurgie auf unsere Station verlegt. Sein Bettnachbar aus der Chirurgie hat ihn ein paarmal hier besucht.«
»Ist Lauri noch hier?«, fragt Tossavainen ungeduldig.
»Ja.«
»Wo?«
»Aber …«
»Kein Aber. Welches Zimmer?«, drängt Tossavainen und hechtet bereits über den Flur.
»Er ist …«
»Welches Zimmer?«
»Sieben. Das Bett links.«
Tossavainen betritt das Krankenzimmer, bleibt am linken Bett stehen, späht hinter den Vorhang und blickt sich dann verstört um.
»Das ist er?«, fragt er enttäuscht.
»Ja«, nickt die Krankenschwester, die ihn erst jetzt eingeholt hat.
Im Bett, an Schläuche und Kabel angeschlossen, liegt ein ausgemergelter Mann. Ein Respirator unterstützt sein mühseliges Atmen, das einzige Lebenszeichen ist die langsam über den Monitor neben dem Bett hüpfende Pulskurve. Das Alter des Mannes ist schwer zu schätzen. Vermutlich hat ihn die Krankheit vorzeitig zum Greis werden lassen.
»Er liegt im Koma«, erklärt die Krankenschwester.
»Im Koma?«
»Ja. Ich habe versucht, es Ihnen zu sagen, aber …«
»Verdammter Mist!«, flucht Tossavainen.
Eine
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