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Erfrorene Rosen

Erfrorene Rosen

Titel: Erfrorene Rosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marko Kilpi
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Haus, das er und Olli eine Weile mustern.
    »Eins wundert mich«, bricht Tossavainen das Schweigen.
    »Was denn?«
    »Der Fall ist inzwischen gründlich publik gemacht worden und trotzdem haben wir praktisch keine brauchbaren Hinweise bekommen. Woran liegt das?«
    »An den unscharfen Aufnahmen«, meint Olli.
    »Daran sicher auch. Aber normalerweise gehen selbst bei miserablen Fotos deutlich bessere Hinweise ein. Deshalb vermute ich, dass tatsächlich keiner den Mann gesehen hat. Ich meine, es gibt doch immer jemanden, der einen kennt. Aber diesen Typen scheint absolut keiner zu kennen.«
    Olli geht ein Licht auf: »Er hält sich versteckt.«
    »Genau. Er vermeidet jeden Kontakt mit anderen.«
    »Ist das überhaupt möglich?«, fragt Olli skeptisch.
    »Möglich ist es schon, aber nicht unbedingt leicht. Wahrscheinlich ist er von auswärts. Wenn man sein Leben lang in unserer Kleinstadt gewohnt hat, kennt einen mit Sicherheit irgendwer.«
    »Aber er muss doch irgendwo wohnen. Immerhin ist er schon eine ganze Weile zugange«, überlegt Olli.
    »Ganz richtig, aber wenn man sich eine Wohnung besorgt, muss man seine Personalien angeben und kommt mit anderen Menschen in Kontakt.«
    »Wohnt er vielleicht auswärts und kommt nur für die Anschläge her?«
    »Kann sein, aber mir ist in der Klinik noch eine andere Lösung eingefallen. Wenn wir davon ausgehen, dass der Typ sich so weit wie möglich von seinen Mitmenschen abschottet, wieso hat er sich im Krankenhaus mit seinem Bettnachbarn angefreundet? Das ist doch völlig unlogisch.«
    »Womöglich hat er gesehen, wie schlecht es Lauri geht, und wollte ihn trösten«, meint Olli.
    Tossavainen lacht unwillkürlich auf. Ollis Glaube an das Gute im Menschen ist etwas, womit er lange nicht mehr in Berührung gekommen ist. Die Polizeiarbeit schleift diese fast kindisch wirkende Eigenschaft unweigerlich ab und sie wächst nicht mehr nach. Tossavainen genießt es geradezu, bei Olli etwas zu erkennen, was er selbst nicht mehr empfinden kann.
    »Mag ja sein«, stimmt er leicht sarkastisch zu. »Aber es ist doch eher unwahrscheinlich, wenn wir an die Gesamtheit denken. Unserem Mann fehlte ja etwas.« Tossavainen beugt sich vor und sieht das nicht weit entfernte Haus an. »Und Lauri hat keine Angehörigen«, fährt er fort. »Da stand ein leeres Haus als Versteck bereit.«
     

    Die von der Sonne gebleichten Blumengardinen filtern das Licht, das durch die Fenster des Vorbaus fällt. Die leichte Dämmerung, die dadurch entsteht, dämpft die Farben zu verschiedenen Grautönen ab. Durch einige Ritzen zwischen den Gardinen dringt das Tageslicht blendend hell und scharf wie eine Schwertklinge in das Halbdunkel. Im Vorbau hat sich allerlei Zeug angesammelt, Gartenwerkzeug, Kanister, Schuhe, sogar ein halbes Fahrrad.
    Es wird an die Tür geklopft. Das führt zu nichts. Erneutes Klopfen. Wieder nichts. Kurz darauf zerschellt eines der beiden Fenster im oberen Teil der Haustür. Eine Taschenlampe wird durch das Loch geschoben. Eine Hand hält die Gardine zurück. Der Lichtstrahl streift von links nach rechts, als suche er etwas Besonderes. Dann bewegt er sich senkrecht nach unten und richtet sich auf das Schloss, die Tür und das Stück Fußboden davor. Er sucht nach einer Überraschung, die mit der Tür oder mit dem Eintreten verbunden sein könnte, findet aber nichts. Eine Hand fährt durch das eingeschlagene Fenster und tastet an dem Schloss herum, bis sie es aufbekommt. Die Tür wird vorsichtig geöffnet.
    Tossavainen späht herein und wirft einen raschen, aber alles registrierenden Blick in den Vorbau und die Diele. Dann tritt er leichtfüßig ein. Olli folgt ihm vorsichtig, wobei er vergeblich versucht, seine Nervosität zu unterdrücken. Sie stört ihn, denn er will ein selbstbewusster Profi sein und kein blutiger Anfänger, dem beim geringsten Anlass das Herz in die Hose rutscht. Seine Aufregung erinnert ihn an seine ersten Einsätze, als er sich noch nicht mit Gefahren auskannte. Damals hatte er keine Risikoskala, deshalb ging er an alles mit der gleichen Menge Angst und Nervosität heran. Inzwischen hat sich dieser Gradmesser bereits gebildet, daher weiß Olli, dass es in diesem Haus gefährlich werden könnte. Seine Angst ist also durchaus nicht grundlos.
    Er tritt auf einen Glassplitter, der laut knirscht. Tossavainen dreht sich um, funkelt ihn böse an und zischelt, sie hätten nicht die Absicht, ihre Ankunft anzukündigen. Olli ärgert sich. Hat das zerbrochene Fenster sie nicht

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