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Erfrorene Rosen

Erfrorene Rosen

Titel: Erfrorene Rosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marko Kilpi
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einem einzigen Knopfdruck alle umbringen zu können, war ihm genug. Es hat ihm einen wahnsinnigen Kick gegeben, dass er über Leben und Tod entscheiden konnte. Und dass keiner dieser Menschen je erfahren wird, wie nahe sein Ende war. Auch das gehört zur Sache.«
    »Das könnte ins Bild passen«, stimmt Tossavainen zu.
    »Der Täter hat also diese Aufnahmen gemacht und die Menschen auf den Fotos aus einer großen Schar sozusagen auserkoren?«, vergewissert sich Olli.
    »Ja«, nickt Kylmänen. »Damit konnte er uns zeigen, was er mit diesen Menschen hätte tun können. Er hat uns die Fotos absichtlich finden lassen.«
    »Klingt irgendwie schief«, wendet Olli ein.
    »Schief? Wieso?«
    »Unlogisch. Müsste das Todeselement nicht deutlicher einbezogen sein, damit er seine Kicks kriegt? Die Bombe muss doch echt sein, damit man weiß, dass man tatsächlich über das Leben der Menschen im Einkaufszentrum entscheiden kann, oder?«
    »Ja«, muss Kylmänen zugeben.
    »Ich würde es verstehen, wenn er zum Beispiel ein Gewehr mit Zielfernrohr hätte und sich aus dem Gewimmel Menschen raussucht, auf die er anlegt, ohne abzudrücken. Aber diese Fotos müssen eine andere Bedeutung haben.«
    Kylmänen ist ein wenig verwirrt. Ollis Argument leuchtet ihm ein, doch als erfahrener Kriminalist begegnet er den Überlegungen eines Praktikanten zwangsläufig mit einer gewissen Skepsis.
    »Und welche Bedeutung könnte das sein?«, fragt Tossavainen.
    Plötzlich begreift Olli. Ein Damm scheint zu brechen und sein ganzes Bewusstsein füllt sich mit Möglichkeiten und Antworten. Er muss sogar einen Moment lang die Luft anhalten, damit er in dieser Erkenntnisflut nichts übersieht.
    »Natürlich«, sagt er leise und lacht auf. »Ja, er hat die Absicht zu töten.«
    Tossavainen seufzt enttäuscht. Er hatte auf einen Geniestreich gehofft, doch Olli scheint vollends auf dem Holzweg zu sein.
    »Aber bisher hast du doch gesagt, er wolle niemandem Schaden zufügen«, protestiert er mit kaum verborgener Frustration. »Deshalb hat er vor der Explosion den Zeitungsboten zu Fall gebracht.«
    »Vielleicht war ein Menschenopfer in dem Moment noch nicht aktuell«, spekuliert Olli. »Die Zeit für die Trumpfkarte war noch nicht gekommen.«
    »In aller Regel geht es bei diesen Fällen nicht ohne Leichen ab«, räumt Kylmänen ein und denkt dabei an die Ereignisse, die er an Fronten und hinter Barrikaden in der Fremde mit angesehen hat.
    »Genau«, stimmt Olli zu, obwohl er nur ahnen kann, was Kylmänen bei seinen Einsätzen erlebt hat. »Die Taten sind nach und nach schwerwiegender geworden. Ganz bestimmt gibt es für diese Geschichte ein spektakuläres Finale. Die bisher letzte Aktion war schwere Sachbeschädigung. Was kommt danach? Ein Verbrechen gegen das Leben?«
    »Du meinst, er will all diese Leute töten?«, fragt Tossavainen ungläubig. »Das wäre ja Massenmord.«
    »Schwer zu sagen«, meint Olli. »Aber die Fantasiespiele hat er jedenfalls schon hinter sich. Er hat Busreifen aufgeschlitzt und ähnliche Delikte begangen, bei denen er sich den entstandenen Schaden nur vorstellen konnte. Dann ist er zu Taten übergegangen, bei denen konkret etwas zerstört wurde. Das ist doch eine klare Richtung. Ich finde es durchaus möglich, dass er wirklich tötet.«
    Olli ist sich seiner Sache immer sicherer. Alle drei beugen sich über die Fotos. Bilder von Menschen, die keine Ahnung haben, dass gerade ernsthaft über ihr Leben und ihr Schicksal nachgedacht wird.
    »Und wenn von all denen … nur einer das Opfer ist?«
    »Meinst du, das hier sind die Kandidaten, unter denen er einen wählt?«, präzisiert Kylmänen.
    »Genau. Er kann nicht alle töten, aber einen schon.«
    Olli sieht Kylmänen und Tossavainen fragend an, als bitte er um ihre Zustimmung.
    »Wer ist dann wohl das Opfer?«, überlegt Kylmänen.
    »Das kann ja jeder von denen sein«, stöhnt Tossavainen.
    »Vielleicht hängt es vom Schicksal ab.« Nun bringt Olli allmählich seine eigentliche Erkenntnis zur Sprache. »Ich hab nämlich gerade kapiert, was die Karte an dem Blumenstrauß zu bedeuten hat. Darum geht es doch bei dem Spruch, um das Schicksal. Was auch immer geschieht, es geschieht das Richtige. Damit ist das Schicksal gemeint. Alles hat seinen Sinn, denn ob es dir gut oder schlecht ergeht, es war dir so bestimmt.«
    Kylmänen strafft sich ein wenig, als wolle er sich von Ollis Einfällen distanzieren.
    Im selben Moment hat Olli eine neue Idee. Er setzt sich eilig an Kylmänens Computer.

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