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Erfrorene Rosen

Erfrorene Rosen

Titel: Erfrorene Rosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marko Kilpi
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Höheres als um persönlichen Groll. Die Art, wie er vorgeht, weist allzu viele Anklänge an den Terrorismus auf, das ist der springende Punkt. Ein Terrorist kämpft für eine Idee, nicht für einen einzelnen Fall. Terroristen versuchen, fundamentale Strukturen zu verändern. Und genau darum geht es ja hier, wenn wir die Sache gesellschaftspolitisch betrachten.«
    »Die Gewaltenteilung, genau. Legislative, Exekutive und Jurisdiktion«, zählt Olli an den Fingern ab. »Wenn eine der drei Gewalten versagt, funktioniert die Gesellschaft nicht mehr. Und dann braucht der Bürger sich ihr nicht zu unterwerfen, sondern darf, nein: muss sie verändern. Das ist gewissermaßen seine Pflicht. Und daran ist eigentlich nichts Neues oder Besonderes.« Beinahe muss Olli grinsen: Der Sozialkundeunterricht an der Polizeischule war also doch nicht so überflüssig, wie er und viele seiner Mitschüler dachten.
    »Genau das ist der Ausgangspunkt«, nickt Kylmänen. »So beginnt der Terror. Daher bezieht unser Mann seine Motivation. Er glaubt an seine Sache und wird alles für sie tun.«
    »Aber wie endet das alles?«, fragt Tossavainen leise. »Wohin wird es noch führen?«
    »Jedenfalls zu nichts Gutem«, antwortet Kylmänen unbestimmt, als behalte er das Schlimmste für sich. »Die Fotos haben irgendetwas damit zu tun.«
    Er nimmt die Fotos, die in der verschlossenen Kommode im Versteck des Täters gefunden wurden, vom Tisch, sieht sich einige an und reicht den Stapel an Tossavainen weiter. Olli tritt näher heran. Die Fotos sind ihm die ganze Zeit schon durch den Kopf gespukt.
    »Was haben diese Fotos bloß zu bedeuten?«, sinniert Tossavainen.
    »Eine verdammt gute Frage«, meint Kylmänen. »Eine Möglichkeit wäre, dass es sich um ausgewählte Opfer handelt.«
    Tossavainen erstarrt und blickt langsam zu Kylmänen auf. Er runzelt die Stirn, während er über Kylmänens Vermutung nachdenkt. »Opfer? Alle diese Menschen?«
    »Wir müssen davon ausgehen, dass im Oberstübchen des Täters nicht alle Lichter brennen, so verständlich sein Motiv auch sein mag«, sagt Kylmänen. »Eine derartige Hingabe an eine Sache, zumal ohne persönlichen Groll, ist auf jeden Fall ein Anzeichen für eine Persönlichkeitsstörung und psychische Fehlentwicklungen.«
    »Also die Taten eines Verrückten«, fasst Tossavainen zusammen.
    »Ja, danach sieht es momentan aus. Und womöglich empfindet er die Lage als so ernst, betrachtet unser System als so missraten und schlecht, dass es ohne Opfer nicht zu retten ist.«
    »Und wenn er nun gar nicht verrückt ist?«, mischt sich Olli ein. »Vielleicht sollten auch andere die Probleme, um die es ihm geht, ernst nehmen. Etwas dagegen tun. Die Sache ist doch verdammt wichtig. Warum sollte man die Situation einfach hinnehmen und allenfalls leise vor sich hin meckern? Heutzutage scheint alles gleichgültig zu sein, nichts ist mehr von Bedeutung. Ist ein Mensch, der sich damit nicht abfinden will, verrückt?«
    »Natürlich nicht, aber die Art, wie er handelt, ist nicht normal«, präzisiert Kylmänen.
    »Aber wie sonst kann ein Einzelner in so großen Fragen etwas ausrichten?«, fragt Olli. »Vielleicht muss man sich und andere für eine gute Sache opfern. Man findet bloß nirgendwo mehr Aufopferung. Es gibt nur noch das Ich. Me, myself and I.«

    Kylmänen und Tossavainen wissen, dass Olli in diesem Punkt recht hat. Das Gemeinwohl spielt keine Rolle mehr, Egoismus ist großgeschrieben. Wenn jemand gegen den Strom schwimmt, wird er als Deformation betrachtet, als Tumor, der unverzüglich entfernt werden muss, bevor er die anderen infiziert.
    »Wird er wirklich töten?«, brummt Tossavainen skeptisch. »Das wäre aber ziemlich heftig.«
    »Vergiss nicht, dass der Typ sich mit der Theorie des Terrorismus befasst hat«, sagt Kylmänen. »Darauf gibt es deutliche Hinweise. Und beim Terrorismus geht es sehr oft, fast ausnahmslos, um Menschenopfer. Man nimmt den Tod ins Spiel, wenn man etwas besonders Schwerwiegendes sagen, die Trumpfkarte auf den Tisch legen will.«
    »Und jetzt ist es Zeit für die Trumpfkarte«, vermutet Olli.
    »Kann sein«, nickt Kylmänen, »aber das bedeutet nicht unbedingt, dass unser Mann töten wird. Wir haben bei der Profilierung auch die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass er unter einer Art Gottheitskomplex leidet. Es hat Fälle gegeben, wo jemand eine Bombe gebastelt und mit ihr ein rappelvolles Einkaufszentrum besucht hat, ohne die geringste Absicht, die Bombe zu zünden. Das Wissen, mit

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