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Erfrorene Rosen

Erfrorene Rosen

Titel: Erfrorene Rosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marko Kilpi
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Die beiden anderen sehen ihm über die Schulter.
    Olli klickt sich ins Internet und ruft eine Suchmaschine auf. Er schreibt Was auch immer geschieht, es geschieht das Richtige in das Suchfeld und startet die Suche. Es erscheint ihm wie eine Ewigkeit, doch in Wahrheit vergehen nur wenige Sekunden, dann füllt sich der Bildschirm mit Ergebnissen.
    Das erste Suchresultat informiert über den Autor des Zitats: Mark Aurel, römischer Kaiser von 161 bis 180, war sowohl als stoischer Philosoph wie auch als Kriegsherr bekannt; nur in vier Jahren seiner neunzehnjährigen Regierungszeit wurden keine Kriege geführt.
    Olli klickt den nächsten Link an. Hauptinhalt dieser Seite scheint die Erörterung des Schicksals unter verschiedenen Aspekten zu sein: Fatalismus, Astrologie, Schicksal und Religion … Außerdem zahlreiche Aphorismen und Sinnsprüche über das Schicksal, von denen einige ebenfalls von Mark Aurel stammen.
    »Was immer dir widerfahren mag, seit ewig war es dir bestimmt«, liest Olli triumphierend vor.
    Die Männer betrachten die über den Bildschirm rollenden Aphorismen. Dann klickt Olli eine neue Seite an, in der es um Fatalismus geht.
    Fatalismus, ‹lat., von fatalis, »schicksalhaft«›; nur Sing.: der Glaube, dass alles so geschieht, wie es das blinde Schicksal (fatum) vorherbestimmt hat.

    »Er ist Fatalist«, sagt Olli und lehnt sich zurück. »Alles, was geschieht, ist vorherbestimmt und der Mensch ist sozusagen das ausführende Organ des Schicksals.«
    Er zeigt auf ein Zitat von Frans Eemil Sillanpää, der das Leben als Vollzug des Schicksals definiert.
    »Vielleicht glaubt unser Täter, das Schicksal habe irgendwen dazu auserkoren, für diese Sache zu sterben.«
    »Wie soll er denn auf die Idee kommen?«, zweifelt Tossavainen. »Hat ihn das Schicksal angerufen und ihm gesagt, wer sterben soll, oder wie?«
    »Ein Fatalist glaubt, dass nichts ohne Sinn geschieht. Was dieser Kerl jetzt macht, hat ihm das Schicksal diktiert. Vielleicht sieht er darin sogar den Sinn seines Lebens. Er glaubt, dass er geschaffen wurde, um dieses gesellschaftliche Problem zu lösen.«
    »Ziemlich hochtrabend«, kommentiert Tossavainen.
    »Dann braucht er ja nur blindlings ein Foto aus dem Stapel zu ziehen und die Sache ist klar«, meint Kylmänen. »Damit überlässt er die Entscheidung ja wirklich dem Schicksal.«
    »Oje«, stöhnt Tossavainen, dem das Ganze zu verworren ist. »Womöglich hat er längst einen von diesen Leuten ausgewählt oder er trägt noch dreimal so viele Fotos mit sich herum.«
    »Vielleicht macht er es sich aber doch nicht so leicht«, meint Olli und gewinnt damit wieder ungeteilte Aufmerksamkeit. »Vielleicht ist die Wahl das große Problem und der Grund für die Existenz dieser Fotos.«
    Er blickt zum Fenster hinaus und denkt nach, denn seine Idee soll klare Konturen gewinnen, bevor er sie ausspricht. Tossavainen und Kylmänen warten ungeduldig.
    »Vielleicht überlässt er es dem Leben oder eher dem Schicksal, das Opfer zu ihm zu führen.«
    Tossavainen legt die geballte Hand aufs Herz, schaut weg und seufzt. Etwas derart Absurdes hat er seit Langem nicht mehr gehört.
    »Vielleicht will er der Sache auf den Grund gehen. Sein Opfer kennenlernen, ein Zeichen des Schicksals an ihm finden. Den Grund wissen, weshalb gerade dieser Mensch das richtige Opfer ist. Vielleicht interessiert es ihn, warum das Schicksal den einen zur Beute und den anderen zum Jäger macht.«
    »Da kann was dran sein«, sagt Kylmänen, ohne sich von Tossavainens Haltung beirren zu lassen. »Auf die Weise begründet er vielleicht die Legitimität des Opfers.«
    »Ein legitimes Opfer!« Tossavainen schüttelt entgeistert den Kopf. »Was zum Teufel soll das denn sein?«
    »Ein Feind«, entgegnet Kylmänen knapp. »Genauer gesagt ein toter Feind. Ein elementarer Gedanke des Terrorismus. In Gaza steigt ein als palästinensischer Polizist verkleideter Mann in einen voll besetzten Bus und zündet mitten unter den zur Arbeit fahrenden Leuten eine Bombe. Oder eine gut ausgebildete junge Frau bindet sich einen Sprengstoffgürtel um, spaziert auf den Markt und jagt sich und eine Menge Käufer in die Luft. Waren die Toten schuldig? Nein, aber sie sind Teil der Gesellschaft, sie vertreten das System, gegen das die Terroristen kämpfen, also sind sie legitime Opfer. Sie zu töten, ist völlig gerechtfertigt und außerdem kinderleicht.«
    Kylmänen sieht Olli und Tossavainen ungerührt an, obwohl er gerade Spielregeln geschildert hat, die nichts

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