Erfrorene Rosen
gesagt die zudringliche Kombination aus dem Eigengeruch des Vaters und seinem Rasierwasser. Glaubt, seinen Vater zu sehen, wie er aus einem Zimmer ins andere geht, ganz auf sich selbst konzentriert und ohne auf Ollis und Tossavainens Anwesenheit zu reagieren.
Ollis Blick wandert durch das Wohnzimmer, bis er auf das alte Foto trifft. Vorsichtig nimmt Olli es in die Hand und betrachtet das fröhliche Kindergesicht, das ihn plötzlich traurig stimmt. Er schaudert, als stünde er in eisigem Nordwind, der ihm durch Mark und Bein dringt. Und dann verschwindet das Schaudern. An seine Stelle tritt eine Leere, die nach einer bitteren Niederlage schmeckt und ihn grenzenlose Hilflosigkeit empfinden lässt. Als hätten ihre Taten und Erfolge keinerlei Bedeutung gehabt. Als wäre es ihnen bestimmt gewesen zu verlieren.
Olli weiß nicht recht, wie er mit seinen Gefühlen umgehen soll. Ihm ist klar, dass er in seine alte Sünde zurückgefallen ist, in obsessives Engagement. Er hat sich voll und ganz in seine Aufgabe gestürzt, als existiere er nur durch seine Leistung. Darunter haben sowohl er als auch seine Angehörigen zu leiden. Olli hat seine Aufopferung mit dem bezahlt, was er Anna und Eetu genommen hat. Und das werden sie nie zurückbekommen. Als er zur Polizei ging, hatte er vor, seine Arbeitssucht zu überwinden. Er wollte endlich anfangen zu leben. Doch daraus ist nichts geworden. Und vielleicht wird nie etwas daraus werden.
Olli holt weit aus und wirft das Bild weg, das wirbelnd durch das Wohnzimmer fliegt und an der Wand zerschellt. Das Foto löst sich aus dem Rahmen und schwebt langsam zu Boden wie ein vertrocknetes Espenblatt.
Olli kocht vor Wut, nicht nur wegen allem, was er durchmachen musste, sondern auch, weil er ein schlechter Verlierer ist. Er kann sich nicht damit abfinden, dass alles, was er getan hat, einfach so vom Tisch gewischt wird, dass seine aufopfernde Arbeit völlig bedeutungslos war. So etwas ist er nicht gewöhnt. Er ist der Ansicht, dass er eine Entschädigung verdient.
Wutentbrannt stiefelt er ins Schlafzimmer. Tossavainen ist überrascht, vielleicht auch bestürzt, als er die Überreste des Bilderrahmens und das danebenliegende Foto erblickt. Im Schlafzimmer poltert und kracht es. Olli reißt Schubladen heraus, kippt ihren Inhalt auf den Boden und wirft sie ohne Rücksicht auf die Folgen hinter sich. Dann fegt er sämtliche Bücher von dem kleinen Regal und kippt schließlich das ganze Regal um. Tossavainen weiß nicht, ob er einschreiten oder Ollis Zerstörungswut freien Lauf lassen soll.
»Wir müssen etwas finden, irgendeinen Beweis muss es geben«, murmelt Olli, ohne Tossavainen anzusehen.
Tossavainen seufzt erleichtert auf. Ollis Raserei entspringt vielleicht doch nicht nur blindem Hass und Zerstörungswut. Sofern der angebliche Zweck der Aktion nicht nur ein Vorwand ist.
Olli ist von vielen Dämonen besessen. Einer davon – vielleicht der schlimmste – ist die Ratlosigkeit. Sie stürzt ihn in bodenlose Einsamkeit, in erschreckende Unsicherheit, und deshalb tut er alles, um sie zu vermeiden. Früher war die Ratlosigkeit wie ein großer schwarzer Punkt, auf den er sich in Problemsituationen Feuer speiend stürzen musste, bis sich endlich eine Lösung fand. Meistens erst dann, wenn schon alles verloren war.
Jahrelange Erfahrung in der Werbewelt hat ihn gelehrt, dass sich für jedes Problem eine Lösung findet, wenn man nur geduldig abwartet. Man muss über den schwarzen Punkt hinausblicken, statt alles am Altar der Ratlosigkeit zu opfern. Doch diese Erfahrung hilft ihm jetzt nicht. Hier geht es um ganz neue Muster und Situationen, mit denen Olli nicht die geringste Erfahrung hat. Es kann nämlich durchaus sein, dass sich die Lösung in dieser neuen Welt nie findet, und diese Möglichkeit lässt den schwarzen Punkt in Ollis Innern wieder zu erschreckender Größe anschwellen.
Olli geht durch das zweite Schlafzimmer in das Schrankzimmer. Reißt einen Arm voll Kleidungsstücke von der Stange und wirft sie ins Schlafzimmer. Die kleineren Wäschestücke, Handtücher und Laken fegt er aus dem Wäschefach auf den Fußboden, schleudert einzelne Bündel hinter sich und steht schließlich keuchend vor dem leeren Schrank.
»Wir dürften eigentlich gar nicht hier sein«, sagt Tossavainen, an die Tür zum Schrankzimmer gelehnt. »Schon gar nicht, wenn du dich so aufführst. Du bringst alles durcheinander und machst den technischen Ermittlern das Leben schwer. Außerdem kann ich ja völlig
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