Erfüllen Sie meinen Herzenswunsch, Mylord!
Tisch, sodass das Geschirr auf der Tafel klirrte. „Ich bin der Herr dieses Hauses, der Squire von Parson’s End. Heimgekehrt aus der Ferne. Heimgekehrt, hört ihr?“
„Sir Cecil, bitte mäßigen Sie Ihre Lautstärke. Sie ängstigen meine Kinder.“
„Dann hören Sie und Ihre Töchter auf, mich wie einen ungeladenen Gast zu behandeln. Und diese Person da auch …“, fuhr er deutlich ruhiger, doch in drohendem Ton fort, und nickte Miss Quinn zu, die neben der Tür wartete. Er verzog das Gesicht zu etwas, das wohl ein freundliches Lächeln sein sollte und wandte sich an die Kinder. „Möchtet ihr euch zu uns setzen und ein Stück Apfelkuchen mit uns essen?“
Beide Mädchen, zu eingeschüchtert, um zu sprechen, schüttelten den Kopf. Cecil winkte die Gouvernante herbei. „Bringen Sie sie fort. Sie sind nicht so unterhaltsam, wie ich es mir erhofft hatte.“
Wenig später überließ Charlotte die Männer ihrem Port und zog sich in ihr Privatzimmer zurück. Sie brauchte Ruhe, um sich zu sammeln und über ihre Zukunft nachzudenken. Dieser Mr. Spike und sein Freund Sir Roland waren, von Cecil ganz zu schweigen, ausgesprochen unangenehme Zeitgenossen. Sofern sie länger als ein bis zwei Wochen blieben, wären sie und die Kinder gezwungen, sich bald ein neues Quartier zu suchen.
Nachdenklich blickte sie aus dem Fenster. Sie fühlte sich hilflos und allein, und zum ersten Mal seit Jahren sehnte sie sich nach einem Mann, der sie tröstete und beschützte. Nach Grenvilles Tod war es für sie nicht mehr in Betracht gekommen, sich wieder zu vermählen, denn die Pflege des verehrten Schwiegervaters und der Unterricht in der Schule hatten sie ganz in Beschlag genommen. Sie wandte sich vom Fenster ab. Weshalb empfand sie plötzlich solche Einsamkeit? Bislang war sie gut allein zurechtgekommen. Aber wie lange würde sie noch in diesem Haus wohnen können, ohne ihren Ruf zu gefährden? Sie schüttelte den Kopf. Genau genommen stellte sich diese Frage nicht, denn solange sie keine bezahlte Arbeit fand, die es ihr ermöglichte, sich eine neue Bleibe zu leisten, hatte sie keine Wahl.
Fest stand, dass bald etwas geschehen musste. Charlotte ließ sich an ihrem Sekretär nieder und zog die oberste Schublade auf. Darin lag ein kleiner Geldbeutel aus Samt. Sie nahm ihn heraus und entleerte den Inhalt vor sich auf die Schreibplatte. Die Summe würde kaum mehr als ein paar Tage ausreichen, wenn sie zusätzlich Miss Quinn für ihre Dienste bezahlen wollte. Und es war sicherlich nicht genug, um Lord Falconer aufzusuchen oder länger als drei Tage in einem Gasthaus Quartier zu nehmen. Es stand ihr frei, dem Großonkel zu schreiben und ihn zu bitten, die Reisekosten zu übernehmen, doch ihr Stolz verbot es ihr. Immerhin bestand die Möglichkeit, dass er sie schroff zurückwies, und dieser Demütigung wollte sie sich nicht aussetzen.
Davon abgesehen, hatte sie Parson’s End zu ihrer Heimat gemacht. Inzwischen liebte sie die Gegend, die Klippen, das Meer mit all seinen Stimmungen – ruhig wie ein Teich an einem windstillen Sommertag, tobend und wütend die Felsen emporspritzend während eines Herbststurmes. Sie liebte es, durch den Kiefernwald zu spazieren und den würzigen Harzduft einzuatmen. Und sie mochte die Menschen hier, die Bauern ebenso wie die Fischer, die hart arbeiteten und mürrisch sein konnten; deren Mut, es immer wieder mit den Naturgewalten aufzunehmen, sie jedoch bewunderte. Ihre Kinder heranwachsen zu sehen und ihnen mit dem Unterricht eine Zukunft zu ermöglichen, erfüllte sie mit Freude. Diese Aufgabe hatte sie sich selbst auferlegt, und es würde ihr schwerfallen, sich von den Dorfkindern zu trennen. Brachte sie allerdings die Mittel nicht auf, ihr Leben hier fortzuführen, war es unvermeidbar, dass sie und die Mädchen Abschied von Parson’s End nehmen mussten.
Sie lachte bitter. Gestern erst, als der fremde Reiter sie angesprochen hatte, war es ihr durch den Kopf gegangen, dass sie unter Umständen einmal von ihrer Arbeit mit den Kindern würde leben müssen. Vielleicht wäre es eine Lösung, wenn ich eine eigene Schule gründen könnte, dachte sie. Ein Internat, das vorwiegend Töchter aus gutem Hause auf nimmt. Die Eltern müssten bereit sein, großzügig für die Ausbildung der Mädchen zu zahlen, sinnierte sie weiter. Wenn genügend höhere Töchter kämen, wäre es mir weiterhin möglich, die Dorfkinder zu unterrichten. Die Wohlhabenden würden dann gewissermaßen die armen Dorfkinder unterstützen,
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