Erfüllen Sie meinen Herzenswunsch, Mylord!
und nicht sofort nach Parson’s End zurückgekehrt war? Stacey griff in die Rocktasche und befühlte das Samttäschchen mit ihrem Schmuck. Würde sie sich überzeugen lassen, dass er sie nicht absichtlich im Stich gelassen hatte?
Eine Dienstmagd, die er aus Easterley Manor kannte, öffnete die Tür. Sie grüßte nicht, sondern musterte ihn mit sichtlichem Misstrauen. Er lächelte freundlich und tippte sich an die Hutkrempe. „Ist Mrs. Hobart zu Hause?“
„Nein, Mylord“, erwiderte die junge Frau knapp.
„Wann wird sie zurück sein? Ich komme von weit her und habe meine Tochter mitgebracht.“ Er deutete auf seine Kutsche. „Meinen Sie, wir könnten hereinkommen und hier auf die Rückkehr von Mrs. Hobart warten?“
„Ich kann Sie nicht hineinbitten, wenn Mrs. Hobart nicht daheim ist“, sagte die Frau, die so beleibt war, dass sie fast den gesamten Türrahmen ausfüllte. „Das wage ich nicht. Kommen Sie später wieder.“
„Dies ist doch eine Schule – wie kann es möglich sein, dass niemand da ist, der uns empfängt?“, versetzte er ungeduldig, bereute seinen Ton indes augenblicklich. Die Bedienstete hatte vielleicht Anweisung, niemanden ins Haus zu lassen, insbesondere niemanden, der mit Sir Cecil verkehrte.
„Sie sind unten am Strand.“
„Oh, ich verstehe. Vielen Dank.“ Er kehrte um und ging zurück zu seiner Kutsche, die er eigens für diese Reise erstanden hatte. „Komm, Julia, wir unternehmen einen kleinen Spaziergang.“
Bislang war noch keine einzige Anmeldung erfolgt, doch Charlotte sagte sich, dass sie nach dieser kurzen Zeit nicht zu viel erwarten dürfe. Mr. Hardacre hatte ihr versprochen, bei Leuten, die er kannte, ein gutes Wort für ihr Institut einzulegen, allerdings waren auch bei ihm keine Anfragen von interessierten Eltern eingegangen. Lediglich die Dorfkinder kamen wie gehabt jeden Tag nach „The Crow’s Nest“ und lernten eifrig zusammen mit Frances und Elizabeth.
Ihr alltägliches Leben bewältigte Charlotte inzwischen recht gut, doch dachte sie an Lord Darton, zog sich ihr jedes Mal das Herz schmerzhaft zusammen. Ihre Befürchtungen schienen sich zu bewahrheiten: Sie hatte ihm ihren Schmuck anvertraut, und er war auf Nimmerwiedersehen aus Parson’s End verschwunden.
Gerade jetzt, da sie am Strand entlangspazierte, musste sie abermals an ihn denken, und als sie plötzlich in einiger Entfernung die Gestalt eines Mannes entdeckte, in der sie den Viscount zu erkennen glaubte, schüttelte sie nur den Kopf. Ihre Sehnsucht nach ihm ließ sie Dinge sehen, die gar nicht vorhanden waren.
Als der Gentleman jedoch zielstrebig auf sie zusteuerte, begann ihr Herz wie wild gegen ihre Rippen zu trommeln. Ihre Sinne hatten sie nicht getäuscht: Niemand anderes als Stacey Harding, Viscount Darton kam ihr entgegen – er war zurückgekehrt! Einen Moment lang rang sie mit sich, wie sie sich verhalten sollte, empfand sie doch Wut und Enttäuschung gleichermaßen wie Erleichterung und Freude darüber, ihn wiederzusehen. Obwohl er sie schmählich im Stich gelassen hatte, wäre sie am liebsten zu ihm gelaufen und hätte sich zärtlich an ihn geschmiegt.
Als er dann schließlich vor ihr stand und sie einander in die Augen blickten, fühlte sie sich wie gelähmt und brachte keinen Ton heraus.
„Mrs. Hobart … Charlotte. Wie geht es Ihnen?“ Er sprach ruhig, fast vorsichtig, und schien nicht im Geringsten verlegen oder aufgeregt, ihr nach dieser langen Zeit wieder gegenüberzustehen.
Er soll nur nicht glauben, ich heiße ihn mit offenen Armen willkommen, dachte sie enttäuscht und erwiderte bemüht höflich: „Mylord. Ich habe nicht damit gerechnet, Ihnen noch einmal zu begegnen.“ Es überraschte sie, wie ruhig ihr diese Bemerkung über die Lippen kam.
„Ich sagte doch, dass ich wiederkomme.“ Stacey ließ den Blick über den Strand schweifen, in der Hoffnung, dass sie inzwischen Schülerinnen hatte, doch er konnte lediglich ihre beiden Töchter und einige ihm bereits bekannte Dorfkinder entdecken.
„Das ist richtig, aber zwischen Ihrer Ankündigung und dem Tag Ihres Erscheinens sind sechs Wochen verstrichen.“
„Ich muss mich für die Verspätung entschuldigen.“ Er wandte sich um und winkte einem jungen Mädchen, das in einiger Entfernung hinter ihm stehen geblieben war und zu ihnen herüberstarrte. Das kann nur Julia sein, dachte Charlotte. Ihr Haar ist ebenso dunkel wie das Lord Dartons, und sie hat die gleichen goldbraunen Augen wie er. Allerdings schien das Mädchen
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