Erfüllen Sie meinen Herzenswunsch, Mylord!
ich mich als Lehrerin für Ihre Tochter eigne.“
Er seufzte unhörbar. „Vielleicht. Wie macht sich Julia?“
„Sie ist nicht lang genug bei mir, als dass ich mir ein Urteil erlauben könnte“, erwiderte sie vorsichtig und setzte sich wieder in Bewegung.
„Gewiss haben Sie einen Eindruck gewonnen“, drang er in sie. „Scheuen Sie sich nicht, die Wahrheit zu sagen. Sie sind ihre Lehrerin und ihre Mentorin, und ich erwarte von Ihnen, dass Sie offen mit mir sprechen.“
„Etwas anderes als meine aufrichtige Meinung würden Sie auch nicht zu hören bekommen“, wies sie ihn streng zurecht. „Julia scheint eine kluge, muntere junge Dame zu sein, die allerdings zu trotzigem Verhalten neigt, wenn sie sich durchschaut fühlt oder wenn man etwas von ihr will, das ihr missfällt.“
Er lachte. „Sie haben nicht lange gebraucht, um herauszufinden, wie halsstarrig sie sein kann.“
Sie erreichten den Weg, der zum Strand hinunterführte. Stacey blieb stehen und versuchte sich eine Vorstellung davon zu machen, welchen Weg die Schmuggler wählen würden, wenn sie die Ladung an Land und nach Easterley Manor schaffen wollten. Bestimmt nehmen sie den Pfad durch den Kiefernhain, dachte er. Dort entdeckt sie so rasch niemand, obwohl das nicht die kürzeste Verbindung zum Herrenhaus ist. „Wollen wir hinuntergehen? Ich möchte mir etwas aus der Nähe ansehen.“
Um ihr Halt zu geben, umfing er ihren Ellbogen und geleitete sie den gefährlichen Steilweg hinab. Charlotte begann heftig das Herz zu klopfen, als er sie berührte, obwohl sie sich nach Kräften bemühte, ihre Gefühle für ihn zu unterdrücken.
Wie gern würde sie von ihm hören, er habe sich um sie gesorgt und an sie gedacht, während er daheim am Krankenbett seiner Tochter Wache gehalten hatte! Ihm schien jedoch einzig daran gelegen, Julia in einer geeigneten Schule unterzubringen, um rasch nach Easterley Manor zurückzukehren, wo er mit Cecil und diesen unmöglichen Männern bis zum Morgengrauen Karten spielen konnte.
Als sie am Strand ankamen, machte Charlotte sich von ihm los, wiewohl sie sich nach seiner Berührung sehnte. „Konnten Sie in Erfahrung bringen, wann das Schiff mit der Konterbande eintrifft?“
„In meiner Gegenwart sind die Gentlemen sehr verschwiegen, aber ich habe ein Gespräch belauscht. Wenn ich die Äußerungen Hobarts und der anderen richtig zu deuten verstehe, wird der Schoner binnen drei Tagen eintreffen. Voraussetzung ist natürlich, dass Flut ist und der Mond nicht von Wolken verdeckt wird.“
Er ließ den Blick über das Meer schweifen; am Horizont entdeckte er ein paar Gaffelkutter, deren Segel von dem starken Wind gebläht waren. Einer von ihnen konnte gut und gern das Schiff sein, das hier in Kürze vor Anker gehen würde.
„Was gedenken Sie zu tun? Werden Sie dem Zollamt Bescheid sagen und in Kauf nehmen, dass selbst die armen Handlanger aus dem Dorf verhaftet werden?“, erkundigte sich Charlotte.
„Ich weiß es noch nicht. Es geht ja nicht nur um die Dorfbewohner, sondern auch um Sie. Schließlich ist Ihr Schwager in die Angelegenheit verstrickt. Der Skandal, der dann unweigerlich folgt, würde ein schlechtes Licht auf Sie und die Schule werfen.“
„Ich lebe nicht mehr unter einem Dach mit Sir Cecil.“
„Das nicht, aber man könnte munkeln, dass Sie Hobart geholfen haben. ‚The Crow’s Nest‘ ist ein idealer Ort, um sich einen Überblick über die Vorgänge in der Bucht zu verschaffen.“
„Niemand, der mich kennt, würde auf einen solch absurden Gedanken kommen. Es erstaunt mich, Sie so sprechen zu hören, Mylord.“
„Ich habe nicht gesagt, dass ich Ihnen etwas Derartiges zutraue, oder? Seien Sie nicht so rasch beleidigt, Madam. Ich versuche Ihnen nur darzustellen, was man über Sie denken könnte. Wie dem auch sei, Sir Roland und Mr. Spike sind mit Vorsicht zu genießen – man kann nie wissen, wozu die beiden fähig sind. Aus diesem Grund möchte ich Sie inständig bitten, den Strand während der nächsten drei Tage zu meiden und die Kinder von den Klippen fernzuhalten.“
Charlotte musste lachen. „Die beiden Gecken halten Sie für so gefährlich, dass Sie uns raten, auf unsere Ausflüge zu verzichten?“
„Es sind ja nicht nur diese zwei Gauner an dem Schwarzhandel beteiligt. Denken Sie nur an die Besatzung des Schoners. Niemand weiß, aus was für Schurken die Mannschaft besteht. Vielleicht sind es Männer, die nichts mehr zu verlieren haben und nicht einmal vor Mord
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