Erfuellung
Dinge persönlich zu besprechen. Sie säuseln nicht einfach irgendwelche überfreundlichen Nachrichten auf den AB und denken, damit ist alles geregelt!«
Die Verbindung wurde getrennt. Geschockt und ein wenig verängstigt starrte ich den Hörer an.
Alles in meinem Leben kam mit kreischenden Bremsen zum Stehen. Cary war mein Fixpunkt. Wenn zwischen uns etwas nicht stimmte, dann verlor ich sehr schnell die Orientierung. Und ich wusste, dass es ihm genauso ging. Sobald wir den Kontakt verloren, begann er, Scheiße zu bauen.
Ich kramte mein Handy hervor und rief zurück.
»Was ist?«, blaffte er. Immerhin war es schon mal ein gutes Zeichen, dass er das Gespräch überhaupt annahm.
»Wenn ich Mist gebaut habe«, beeilte ich mich zu sagen, »tut es mir leid, und ich werde es wiedergutmachen. Okay?«
Er gab ein raues Knurren von sich. »Du machst mich echt verdammt sauer, Eva.«
»Tja, so ist das. Ich hab halt ein besonderes Talent, anderen Leuten auf die Füße zu treten, falls dir das noch nicht aufgefallen sein sollte. Bloß bei dir möchte ich das als Allerletztes tun.« Ich seufzte. »Cary, ich drehe durch, wenn wir das nicht schnell aus der Welt schaffen. Zwischen uns muss alles in Ordnung sein, das brauche ich. Du weißt das.«
»In letzter Zeit hast du dich aber gar nicht so benommen, als wäre es dir wichtig«, meinte er schroff. »An mich denkst du im Moment zuletzt, und das macht mich völlig fertig.«
»Ich denke ständig an dich. Ich hab’s dir vielleicht zu wenig gezeigt, das ist meine Schwäche.«
Er sagte nichts.
»Ich hab dich lieb, Cary. Selbst wenn ich Mist baue.«
Er schnaubte in den Hörer. »Geh wieder an die Arbeit und mach dir keinen Kopf. Wir regeln das beim Mittagessen.«
»Es tut mir leid. Ehrlich.«
»Bis um zwölf.«
Ich legte auf und versuchte mich zu konzentrieren, aber es fiel mir schwer. Wäre Cary nur wütend auf mich gewesen, hätte mich das nicht so beunruhigt. Das wirklich Schlimme daran war, dass ich ihn so schmerzlich enttäuscht hatte. Ich gehörte zu den ganz wenigen Menschen in seinem Leben, bei denen er sich darauf verließ, dass sie ihn nicht im Stich ließen.
Um elf Uhr landete ein kleiner Stapel Hauspost auf meinem Schreibtisch. Aufgeregt bemerkte ich, dass einer der Umschläge eine Nachricht von Gideon enthielt.
Meine hinreißend schöne, begehrenswerte Gattin,
ich kann einfach nicht aufhören, an Dich zu denken.
Dein X
Meine Füße vollführten ein fröhliches Tänzchen unter der Tischplatte, und der leichte Schatten über meinem Tag verzog sich wieder.
Ich schrieb ihm zurück.
Mr. Dunkel und Gefährlich,
ich liebe Dich wahnsinnig.
In Eheketten schmachtend,
Mrs. X
Ich steckte den Brief in einen Umschlag und legte ihn in mein Fach für die ausgehende Post.
Ich entwarf gerade ein Antwortschreiben für einen Künstler, der an einer Geschenkkartenkampagne arbeitete, als mein Bürotelefon klingelte. Ich meldete mich mit meinem üblich Spruch und hörte eine Stimme mit einem mir bekannten französischen Akzent.
»Eva, hier ist Jean-François Giroux.«
Ich lehnte mich in meinen Stuhl zurück und sagte: » Bonjour , Monsieur Giroux.«
»Wann würde es Ihnen heute am besten passten?«
Was zum Teufel wollte er bloß von mir? Wenn ich es herausfinden wollte, musste ich ihn treffen. »Fünf Uhr? Es gibt da ein Weinlokal nicht weit vom Crossfire Building.«
»Passt mir gut.«
Ich erklärte ihm den Weg, und er legte auf. Der Anruf wühlte mich zugegebenermaßen ein wenig auf. Ich drehte mich in meinem Stuhl und dachte nach. Gideon und ich versuchten, nach vorn zu blicken, aber die Menschen und Probleme aus unserer Vergangenheit schienen uns mit allen Mitteln daran hindern zu wollen. Würde die Bekanntgabe unser Eheschließung – oder auch nur einer Verlobung – daran etwas ändern?
Bei Gott, ich hoffte es. Aber wann liefen die Dinge jemals so einfach wie geplant?
Ich warf einen Blick auf die Uhr, wandte mich wieder meiner Arbeit zu und schrieb die E-Mail fertig.
Um fünf nach zwölf betrat ich die Lobby, aber Cary war nirgends zu sehen. Je länger ich warten musste, desto nervöser wurde ich. Wieder und wieder hatte ich mir unser kurzes Gespräch in Erinnerung gerufen, und ich wusste, dass er recht hatte. Ich hatte mir eingeredet, er würde nichts dagegen haben, Gideon in unsere Wohngemeinschaft aufzunehmen, weil ich die Augen vor der Alternative verschlossen hatte: Nämlich dass ich mich womöglich zwischen meinem besten Freund und meinem Geliebten
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