Erfuellung
sprach Bände, denn es war völlig emotionslos, seine Gedanken verborgen hinter einer regungslosen Maske. »Nein, das ist nicht wahr«, antwortete ich.
»Welcher Teil der Geschichte?«
»Ich habe Ihnen nichts weiter zu sagen.«
»Ich habe auch einen Bericht aus erster Hand über eine Auseinandersetzung zwischen Gideon und Brett Kline, angeblich Ihretwegen, weil er Sie in heißer Umarmung mit Kline vorfand. Stimmt das?«
Meine Knöchel wurden weiß, als ich die Kante der Arbeitsplatte umklammerte.
»Ihr Mitbewohner ist kürzlich überfallen worden«, fuhr sie fort. »Hatte Gideon etwas damit zu tun?«
O mein Gott … »Sie sind ja völlig von Sinnen«, antwortete ich kalt.
»Das Filmmaterial, das Sie und Gideon bei einem Streit im Bryant Park zeigt, lässt darauf schließen, dass er sehr aggressiv und grob mit Ihnen umgegangen ist. Hat Gideon Cross Sie misshandelt? Ist er gewalttätig, und besitzt er ein unberechenbares Temperament? Haben Sie Angst vor ihm, Eva?«
Gideon drehte sich auf dem Absatz herum und ging davon, durch den Flur in sein Büro.
»Zur Hölle mit Ihnen, Deanna«, stieß ich hervor. »Sie wollen einen unschuldigen Mann in der Luft zerreißen, weil Sie mit bedeutungslosem Sex nicht umgehen können? Was für eine moderne, kultivierte Frau Sie doch sind!«
»Er ist ans Telefon gegangen«, zischte sie, »bevor er fertig war. Er ging an das verdammte Telefon und hat über einen Besichtigungstermin geredet. Mitten im Gespräch schaute er auf mich herab, wie ich wartend dalag, und er sagte: ›Du kannst gehen.‹ Einfach so. Er hat mich wie eine Hure behandelt, nur dass er sich die Bezahlung gespart hat. Er hat mir noch nicht mal einen Drink angeboten.«
Ich schloss die Augen. Du lieber Gott! »Es tut mir leid, Deanna. Ich meine das wirklich aufrichtig. Ich hatte auch schon das ein oder andere Arschloch im Bett, und es klingt, als hätte er sich Ihnen gegenüber wie eines verhalten. Aber was Sie tun, ist trotzdem falsch.«
»Wenn es stimmt, ist es nicht falsch.«
»Aber es entspricht nicht den Tatsachen.«
Sie seufzte. »Tut mir leid, dass ich Sie mit reinziehen muss, Eva.«
»Nein, es tut Ihnen nicht leid.« Ich legte auf, stand mit hängendem Kopf da und hielt mich an der Arbeitsplatte fest, während sich das Zimmer um mich drehte.
8
Ich fand Gideon in seinem Büro, wo er wie ein eingesperrter Panther auf und ab lief. Er hatte ein Headset im Ohr und hörte entweder seinem Gesprächspartner zu oder war in einer Warteschleife, denn er sagte nichts. Unsere Blicke begegneten sich, sein Gesicht war hart und unerbittlich. Selbst jetzt, nur mit Boxershorts bekleidet, wirkte er unverwundbar. Niemand wäre töricht genug gewesen, etwas anderes anzunehmen. Seine physische Kraft war in jeder Muskelfaser sichtbar. Darüber hinaus strahlte er eine unbarmherzige Bedrohung aus, die mir einen eiskalten Schauer über den Rücken jagte.
Der entspannte, vergnügte Mann, mit dem ich zu Abend gegessen hatte, war verschwunden, verdrängt von einem Raubtier der Großstadt, das seine Konkurrenz dominierte und in Schach hielt.
Ich überließ ihn sich selbst.
Ich suchte Gideons Tablet-PC und fand ihn in seiner Aktentasche. Er war durch ein Passwort gesichert, und ich starrte eine ganze Weile auf den Bildschirm, bis ich bemerkte, dass ich zitterte. All meine Befürchtungen wurden plötzlich Wirklichkeit.
»Engel.«
Ich blickte auf und sah ihn an, als er aus dem Flur kam.
»Das Passwort«, erklärte er. »Es ist Engel .«
Oh. Die ungezügelte Energie in meinem Inneren verpuffte und ließ mich ausgelaugt und müde zurück. »Du hättest mir von der Klage erzählen sollen, Gideon.«
»Im Augenblick gibt es keine Klage, er hat sie lediglich angedroht«, sagte er mit ausdrucksloser Stimme. »Ian Hager will Geld, ich will die Sache nicht an die große Glocke hängen. Wir einigen uns also privat und fertig.«
Ich sackte auf der Couch zusammen, ließ den Tablet-PC auf meine Schenkel sinken. Ich beobachtete ihn, wie er zu mir kam, nahm seinen Anblick in mich auf. Es war so einfach, sich von seinem Aussehen blenden zu lassen. Man übersah so leicht, wie allein er tief im Innern war. Aber er musste endlich lernen, mich in sein Leben einzubeziehen, wenn er in Schwierigkeiten steckte.
»Es ist mir egal, dass es zu keiner Verhandlung kommt«, wandte ich ein. »Du hättest es mir sagen sollen.«
Er verschränkte die Arme vor der Brust. »Das wollte ich ja.«
»Du wolltest ?« Ich erhob mich. »Ich bin traurig, weil
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