Eric
Phantasie nötig, um zu verstehen, was da
Quirm meinte.
»Ich glaube, wir sollten diesen Ort verlassen«, schlug er vor. »Ja«, pflichtete ihm der Alte bei, »und zwar ziemlich schnell. Bevor
der Herrscher über die ganze Welt erscheint.«
Rincewind erstarrte. Es ist soweit , fuhr es ihm durch den Sinn. Ich wußte,
daß es nicht gutgehen konnte; jetzt beginnt der schlimme Teil. Auf meinen Instinkt
ist Verlaß.
»Woher weißt du davon?« fragte er.
»Oh, die Tezumaner haben da eine Prophezeiung. Nun, eigentlich ist
es keine Prophezeiung, sondern die Geschichte der Welt, vom Anfang
bis zum Ende. Sie steht an der Pyramide geschrieben«, fügte da Quirm
fröhlich hinzu. »Weißt du, ich möchte nicht der Herrscher sein, wenn er
hier eintrifft. Man hat etwas mit ihm vor.«
Eric stand auf.
»Jetzt hört mir mal gut zu«, sagte er. »So etwas gefällt mir ganz und gar nicht. Ich bin euer Herrscher, und deshalb…«
Rincewind starrte auf die Steinblöcke in unmittelbarer Nähe der Statue. Die tezumanischen Bildhauer hatten zwei Stockwerke, zwanzig Jahre und zehntausend Tonnen Granit gebraucht, um zu erklären, was den Herrscher über die ganze Welt erwartete, doch das Ergebnis war – nun, anschaulich.
Er würde kaum am Ärger der Tezumaner zweifeln. Vielleicht gelangte er sogar zu dem Schluß, daß sie ausgesprochen sauer waren. »Aber warum haben sie ihm zuerst die ganzen Schätze gebracht?« fragte der Zauberer verwirrt.
»Nun, er ist der Herrscher«, antwortete da Quirm. »Er verdient einen gewissen Respekt, oder?«
Rincewind nickte und glaubte, so etwas wie Gerechtigkeit zu erkennen. Wenn man zu einem Stamm gehörte, der im Sumpf mitten in einem feuchten Regenwald lebte, kein Metall hatte, mit einem Gott wie Quezovercoatl zurechtkommen mußte und dann jemandem begegnete, der behauptete, für alles zuständig zu sein… Unter solchen Umständen verbrachte man wahrscheinlich ein wenig Zeit damit, dem Betreffenden zu zeigen, wie enttäuscht man war. Die Tezumaner hatten nie einen Sinn daran gesehen, bei ihrem Umgang mit Göttern Zurückhaltung zu üben.
Die Darstellung wies große Ähnlichkeit mit Eric auf.
Rincewind las die Fortsetzung der Geschichte auf der nächsten Wand. Dort sah er sich selbst. Ein Papagei hockte ihm auf der Schulter. »He!« platzte es aus ihm heraus. »Das bin ich!«
»Auf dem Block daneben kannst du beobachten, wie man mit dir verfahren wird«, sagte der Vogel selbstgefällig. »Jagt dir sicher einen ordentlichen Dingsbums ein.«
Rincewind betrachtete die Bilder, und der ordentliche Dingsbums blieb nicht aus. Schaudernd wandte er sich ab.
»Wir brechen jetzt ebenso leise wie schnell auf«, entschied er. »Ich meine, wir verzichten darauf, uns für die Mahlzeit zu bedanken. Vielleicht haben wir später Gelegenheit, einen Brief zu schicken. Damit man uns nicht für unhöflich hält.«
»Einen Augenblick«, bat Quirm, als Rincewind an seinem Arm zerrte. »Ich hatte noch keine Möglichkeit, alle Blöcke zu lesen. Weißt du, ich möchte gern wissen, wie die Welt endet…«
»Wie sie für alle anderen endet, ist mir völlig gleich«, erwiderte Rincewind grimmig und zog den Alten zum Ausgang. »Es genügt mir, gesehen zu haben, wie sie für mich enden soll.«
Er trat ins Licht der Dämmerung, und damit war soweit alles in Ordnung. Weitaus mehr Sorge bereitete ihm der Halbkreis aus Tezumanern. Sie trugen Speere mit sorgfältig geschliffenen Obsidianspitzen, Waffen, die nicht annähernd so modern wirkten wie ihre gewöhnlichen Vettern aus Stahl. Bot es Vorteile, von liebevoll produzierten Gegenständen garantiert folkloristischer Herkunft aufgespießt zu werden, anstatt den Tod der groben Schmiedekunst eines Volkes zu verdanken, das den Kontakt zur Natur verloren hatte?
Wahrscheinlich nicht, vermutete Rincewind.
»Ich bin der Ansicht, daß alles seine guten Seiten hat«, sagte da Quirm. Der an die nächste Steinplatte gefesselte Rincewind drehte mühsam den Kopf.
»Und wo verbirgt sich jetzt die gute Seite?« fragte er.
Da Quirm blickte über den Sumpf zum Dschungel hinüber. »Nun, zunächst einmal: Hier oben genießt man ein ausgezeichnetes
Panorama.«
»Oh, gut«, kommentierte der Zauberer. »Danke für den Hinweis. Du
hast völlig recht. Ich schätze, an einen solchen Anblick erinnert man
sich für den Rest seines Lebens. Ich meine, unter den gegenwärtigen
Umständen fällt es uns wohl kaum schwer, ihn lange genug im Gedächtnis zu behalten.«
»Du brauchst nicht gleich sarkastisch zu
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