Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück
Sonnenaufgang, setzen wir Segel.«
Er wartete, bis die Mägde jeden Krug wieder gefüllt hatten. »Auf nach Grönland! Unser grünes Land!« Diese Losung blühte in den Herzen auf, bedeutete Hoffnung und Verheißung und war vor allem jetzt Grund genug, zu trinken und weiter zu trinken.
Tyrkir hielt nicht mit. Immer wieder blickte er verstohlen zu den Frauen hinüber. Feigling, nicht nur dieses Wort, mehr noch hatte ihn die Verachtung Thjodhilds getroffen. Erst war er fest entschlossen gewesen, ihr das Warum zu erklären und sie um Verständnis zu bitten, jetzt aber, da Askel der Magere dort bei den Schweinen lag, hatte er sich einen Plan überlegt. Nein, ich schäme mich nicht, beruhigte er sein Gewissen, es ist ja nur eine kleine List. Und gelingt sie, so hilft sie beiden und mir.
Endlich verabschiedeten sich die Frauen. Beim Saufgelage beachtete niemand den Deutschen, als er aufstand und leicht schwankend davonging. Jeder musste sich irgendwann vom Druck des vielen Bieres befreien. Vor dem Hauptzelt trat er Thjodhild in den Weg.
»Nicht jetzt. Ich bin müde.« Damit wollte sie an ihm vorbei.
»Bitte, hör zu!«, flüsterte er. »Es geht um unseren Frieden in Grönland.« Schnell sprach er weiter.
Thjodhild runzelte die Stirn, staunte, und als er geendet hatte, zuckte ein Lächeln in ihren Mundwinkeln. »Weißt du noch, was du bei unserer Hochzeit zu mir gesagt hast? Erst nach Erik habe ich einen Ehrenplatz in deinem Herzen. Sollte die Reihenfolge sich geändert haben?« Ohne abzuwarten schlüpfte sie ins Zelt.
»Quäle mich nicht!«, seufzte er.
In den frühen Morgenstunden legte sich Erik zu seiner Frau. Angeheitert vom Bier spürte er die Wärme ihrer Haut und schnell wuchs der Wunsch nach mehr. Sie duldete das Berühren ihrer Brüste, auch die bärtigen Küsse. Doch als er in sie eindringen wollte, schlüpfte Thjodhild unter ihm weg und setzte sich auf.
»Was hast du?«
»Ich kann nicht mit dir schlafen.«
Wieder griff er nach ihr, doch sie verschränkte die Arme um ihre Knie. »Nein, lass mich!«
Mühsam ordnete er seine Gedanken. »So ist das. Du bist böse, weil ich dir eine Tochter gebracht habe. Daran kann ich nichts mehr ändern.«
»Nein, du irrst. Freydis soll zu uns gehören.« Ihre Hand kreiste sanft um seinen Nabel, wohlig räkelte er sich und seine Stimme wurde dunkel. »Setz dich auf mich!«
»Vielleicht gleich. Vorher aber musst du mir einen Wunsch erfüllen.«
»Bei meiner Ehre, alles was du willst, ich schwöre es.«
»Nimm ihn mit!«
»Wen?«
Thjodhild beugte sich zu seinem Ohr. »Den armen Christen da draußen.«
Wie eine Feder schnellte der Oberkörper hoch. Vergessen war jede Lust, wie einen Geist starrte er sie an: »Ich soll … Nein, niemals.«
»Erik Thorvaldsson, ich habe dein Wort.«
Er vergrub das Gesicht in beide Hände, lange saß er stumm da.
»Warum?«, flüsterte er schließlich, ohne aufzusehen. »Was hab ich dir angetan? Gib mir mein Wort zurück, verlange alles dafür, nur dürfen der Magere und sein Gott nicht mein Grönland vergiften.«
Thjodhild ließ ihn warten. »Wer sagt mir denn, dass du diesen neuen Schwur nicht gleich wieder brichst.«
Die Frage kränkte ihn, doch er klammerte sich an den dünnen Halm, beschwor die Wikingerehre und die schuldige Achtung vor der Würde seiner Hausfrau. »Der Friede in unserer Familie ist mir heilig.«
»Ich vertraue dir, Erik.« Sie griff nach ihrem Nachtgewand und ließ es durch die Finger gleiten. »Einen einfachen Tausch biete ich: Askel der Magere soll nicht mit aufs Schiff. Dafür bleibt auch Katla hier.« Ohne ihren Sieg auszukosten, setzte sie leicht hinzu: »Den Christen nimmt Thorbjörn ohnehin mit zurück, schenke deinem Freund die Magd, als Witwer, denke ich, kann er eine so tüchtige Magd sicher gebrauchen.«
»Jetzt begreife ich erst.« Erik wühlte in seinem Bart. »Ja, einverstanden.« Halb bewundernd, halb misstrauisch betrachtete er sie. »Was hab ich nur für eine Frau? Beim Thor, du weißt schon, wie du zu deinem Willen kommst.«
Seufzend legte sich Thjodhild zurück. »Danke. Und nun.« Sie streichelte seinen breiten Rücken, bis er ihr auch den nächsten Wunsch erfüllte.
Hornruf vom Reittier des Meeres, weit und beinah klagend schwang er sich über die Hafenbucht und den Strand. Ein Schwarm Graugänse hob sich mit aufgeregtem Flügelschlag aus dem Lavageröll. Der zweite Hornruf erschreckte die Robbenfamilien draußen auf den schwarzen Schären, lautlos wälzten sich Groß und Klein ins
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