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Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück

Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück

Titel: Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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»Komm zurück, Erik!«, bat sie leise und wartete, bis er vor ihr stand. »Dort liegt ein Kind. Ein Mädchen. Ich muss nicht fragen, wer der Vater ist. Wo befindet sich die Mutter?«
    »Katla? Ja ist sie denn nicht …?«
    »Mir gleich, wo sie ist. Wenn das Weib kommt, soll es sofort mit dem Balg verschwinden. Und jetzt gib meinen Sohn her!« Sie riss ihm Thorvald aus dem Arm.
    »Das wird so nicht gehen.« Erik zögerte und setzte hinzu: »Ich hab das Mädchen als meine Tochter anerkannt. Freydis gehört zur Familie.«
    »Sehr geschickt von Katla. Wenigstens habt ihr einen schönen Namen ausgesucht.« Der Zorn glühte in ihren Augen. »Also gut, du Zuchthengst. Jetzt haben deine Söhne eine Schwester. Aber diese Stute fährt nicht mit nach Grönland.«
    »Ich hab’s ihr versprochen.«
    »Und ich will es nicht.« Thjodhild wusste, wie machtlos sie gegen seine Entscheidung war, ließ ihn stehen und ging mit Thorvald ins Hauptzelt. Ohne den Deutschen eines Blickes zu würdigen, zischte sie: »Feigling! Jetzt weiß ich endlich, warum du mir nichts über die Fahrt erzählen wolltest.«
    Gegen Abend traf Thorbjörn Vifilsson mit Gudrid ein. »Spart euren Met und die Vorräte für Grönland!« Der Richter winkte seinen hoch bepackten Sklaven. »Ich lade zum Abschiedsfest ein.« Bier, Trockenfisch und zwei geschlachtete Hammel hatte er vom Warmquellhang mitgebracht.
    Thjodhild unterdrückte ihren Kummer, herzlich begrüßte sie den Freund. Sie küsste seine Tochter und stellte sie Leif vor. »Ihr zwei habt schon nackt auf der Decke miteinander gespielt.«
    Verlegen beäugten sich der Junge und das Mädchen. »Glaub ich nicht«, sagte Leif. »Was soll ich mit der schon gespielt haben?«
    Gudrid streckte ihm die Zunge raus. »Du bist mir viel zu blöde.«
    »Vertragt euch!« Thjodhild seufzte, ihr ahnt ja nicht, welche Pläne ich mit Hallweig für euch geschmiedet habe. Aber daraus wird ohnehin nichts mehr. Es sei denn, das Schicksal führt euch irgendwann noch einmal zusammen.
    Später schwamm die rote Nachtsonne im Meerhorizont. Das Mahl war beendet. Erik lagerte mit Tyrkir, dem Richter und einigen Schiffsführern um die schwelende Glut. Wieder und wieder besprachen sie den Kurs, hofften auf anhaltenden Ostwind, und vor allem klar sollte der Himmel bleiben.
    Am Nachbarfeuer saßen die vornehmen Frauen beieinander. Sie bedrängten Thjodhild mit Fragen. »Wie weit wohnt eine Familie von der anderen entfernt?«, »Wächst Korn dort für unser Brot?«, »Wird jeder Hof genügend Wasser haben?«
    »Ich kann es euch nicht sagen. Zwar bin ich die Frau des Roten, aber er hat mir bis jetzt noch weniger erzählt, als ihr schon wisst.«
    Sie straffte den Rücken. Aus dem kleinen Zelt kam Katla mit dem Kind langsam aufs Feuer zu. Sofort schwiegen die Frauen. Jede wusste längst von der Auseinandersetzung zwischen dem obersten Führer der Siedler und dessen Hausherrin.
    Die Magd hatte Thjodhild erreicht. »Willst du dir meine Freydis nicht mal ansehen?« Aus dem Blick sprachen Trotz und Stolz zugleich. »Zwei Jahre ist sie alt. Ich hab ein schönes Kind.«
    »Deine Freydis?« Leicht hob Thjodhild die Brauen. »Einer Sklavin gehört nichts, hast du das vergessen? Kein Fetzen, den du am Leib trägst, dir gehört nicht einmal dein Leben.«
    »Aber ich bin die Mutter.«
    Und hast nichts Unrechtes getan, dachte Thjodhild bitter, gleichzeitig spürte sie ringsum angespannte Neugierde. Jäh schreckte sie auf. Wie konntest du nur vor fremden Ohren mit Erik streiten? Vergiss die Eifersucht! Jedes falsche Wort schadet deinem Ansehen und der Würde deiner Familie. »Katla, du bist Erik eine tüchtige Magd unterwegs gewesen. Du hast ihm das Essen zubereitet und hast ihm ein Kind ausgetragen und geboren.« Behutsam streichelte sie Freydis übers Haar. »In der Regel müsstest du die Kleine aufziehen, damit sie später bei uns dient. So vermehrt nun mal ein Herr gerne seinen Sklavenbesitz.«
    Der Scherz ließ die Hausfrauen schmunzeln, zustimmend pflichteten sie Thjodhild bei. »Dein Kind aber wird als Tochter in meiner Familie leben. Sei also dankbar. Mehr Glück konntest du für Freydis nicht erreichen.«
    Katla kniete sich vor ihrer Herrin nieder. »Immer will ich auf deinem Hof dienen.«
    Könnte ich es nur verhindern, dachte Thjodhild und sagte: »Das hat Erik zu entscheiden.«
    Lärm, Geschrei im Hafen! Sofort horchten die Frauen auf. Vergessen waren die Magd und ihr Kind. Am Nachbarfeuer ließen die Schiffsführer ihre Becher sinken. Jeder

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