Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück
Thjodhild lächelnd.
»Gesund sind sie, das ist die Hauptsache. Dennoch bin ich stolz …« Hallweig hielt inne, rang nach Luft, ihre Lippen wurden blau, mit der Hand strich sie über die Herzseite. »Eng ist mir wieder da drinnen, so eng.«
Besorgt sah Thjodhild sie an. »Wenn Mutter hier war, sie wüsste schon ein Kraut.«
»Ich glaub es nicht. Oft … oft haben wir die Nachbarin vom Adlerhof zu Besuch. Grima ist eine weise Völva. Ihre Zauberkraft hat schon viele gerettet.« Jeder Satz kostete Mühe. »Sie gibt mir Tee. Aber der hilft wenig. Seit ich meine Kleine hab, kommt die Not einfach und dann … dann muss ich warten, bis sie vorbei ist.« Die kleine, rundliche Frau legte sich zurück. Nach geraumer Weile erst ging ihr Atem wieder ruhiger und frisches Rot kehrte in die Lippen zurück. »Danke, du bist so geduldig.«
»Sag das nicht!«
»Doch, glaub mir!« Hallweig drehte sich auf die Seite und stützte den Kopf mit der Hand. »Ich bin froh, dass du mit deiner Familie bei uns bist. Zusammen werden wir einen schönen Winter haben. Und unsere Männer kommen miteinander zurecht. Das ist auch wichtig, was meinst du?«
»Fast wie ein Wunder kommt es mir vor.« Thjodhild schmunzelte und seufzte zugleich. »Mit Erik ist es sonst nicht so einfach. Aber deinen Thorbjörn muss man einfach gern haben.«
»Ja, ich hab Glück mit ihm.«
Gleich nach dem Begrüßungsfest vor einem Monat hatte der wohlhabende Onkel Thjodhilds entschieden, dass nur Erik mit ihr, dem Kind und Tyrkir zum Schwiegersohn auf den Warmquellhang ziehen sollte. Obwohl das Haus über der Höhlenebene sehr geräumig war, konnte Thorbjörn Vifilsson nicht mehr Quartier bieten, denn seit er auf dem letzten Allthing die Godenwürde für das Gebiet der Südinsel übertragen bekommen hatte, gingen viele Besucher bei ihm ein und aus. Kurzerhand wurden Eriks Knechte und Mägde bei Onkel Einar selbst und dessen zweitem Schwiegersohn untergebracht. Da die Familienhöfe nicht weit voneinander lagen, war dies eine Lösung, die keine große Belastung bedeutete und mit der sich alle zufrieden gaben.
»Wie ist dein Erik?«
Die Frage überraschte Thjodhild. Obgleich zwischen Hallweig und ihr in den wenigen Wochen eine innige Zuneigung gewachsen war, zögerte sie. Noch nie hatte sie mit einer Frau über ihren Mann gesprochen. Mit wem sollte ich auch, dachte sie, die Jugendfreundinnen sind mir längst fremd geworden, bliebe allein die Mutter, und von ihr hätte ich nur noch mehr gut gemeinte Ratschläge bekommen. Sie schaute über die Höhlenebene zum Wasser hinunter. Weißer Gischt kräuselte auf den Wellen.
»Du musst nicht antworten.«
»Doch, schon gut. Ich versuche es. Mein Erik …« Thjodhild umschloss mit den Armen ihre Knie. »Wie soll ich diesen Mann bloß beschreiben? Weißt du, er besitzt alle guten Eigenschaften, die man sich als Frau wünscht. Aber irgendwie haben sie miteinander noch keinen Frieden geschlossen, vielleicht weil er von allem zu viel besitzt. Da ist zunächst sein Stolz, der hat ihn schon beinah das Leben gekostet. Fleiß und Ausdauer. Wie er arbeiten kann, beweist er ja gerade jeden Morgen beim Fischfang mit deinem Thorbjörn. Dazu kommt seine Kraft. Auch als Kämpfer kenne ich keinen besseren. Und er ist liebevoll zu mir. Und er weiß einen Hof zu führen. Ach, ich könnte noch vieles aufzählen. Natürlich hat er einen Wikingerschädel, der mich oft rasend macht, dass ich an seinem Verstand zweifle, aber dann benimmt er sich wieder wie ein Junge, dem ich gerne verzeihe. Verstehst du, Erik ist noch eckig, nicht rund. Er sucht noch. Aber jetzt haben wir unsere Inseln. Wenn das Haus steht und wir uns eingerichtet haben, dann wird er vielleicht …«
Hallweig nickte. »Ruhe, das ist es. Ein Mann muss einen Platz haben und zur Ruhe kommen. Selbst wenn er dann den Sommer über mit dem Schiff hinausfährt, um Handel zu treiben, findet er Ruhe bei seiner Familie, wenn er zurückkommt.«
»Mag schon sein.« Thjodhild wiegte sich vor und zurück. »Lieber wär’s mir, wenn mein Erik zu Hause bleibt und den Hof bewirtschaftet. Weißt du, er gerät leicht in Zorn und in der Fremde bin ich nicht dabei. Unglück haben wir schon genug gehabt.«
»Und euer Verwalter, dieser Deutsche, bist du mit ihm zufrieden?«
Zufrieden? Thjodhild schloss die Augen. So oft denke ich an Tyrkir, viel zu oft. Ich weiß, das schickt sich nicht für eine ehrbare Hausfrau. Aber es hilft meinem Herzen über schwere Stunden hinweg. Und da ich mich nie
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