Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück
»Lasst uns erst noch den Friedensschwur leisten.« Betont laut forderte er die Gestalt jenseits des Zauns auf: »Askel! Das gilt auch für dich. Oder darfst du selbst diesen Eid nicht mehr leisten?« Einige lachten spöttisch, andere sahen sich nur kopfschüttelnd an. Den Mageren kümmerte es nicht, mit einem dünnen Lächeln auf den Lippen betrat er die Hauswiese. »Ein Versprechen zu geben ist mir ebenso heilig wie euch.«
Kein Wort durfte während des Gelages übel genommen werden, auch wenn der Rausch die Köpfe erhitzte, kein bleibender Hass sollte entstehen und vor allem durfte keine Fehde angestiftet werden. »So soll es sein!«, bekräftigten die Geladenen.
Thorbjörn war zufrieden. »Und nun lasst uns bei Braten und Bier den Winter begrüßen! Das Fest kann beginnen. Da wir jedoch viele sind und der Raum eng wird, befolgt meine Bitte, ihr geschätzten Gäste, und stürzt nicht ins Haus, geduldet euch noch ein wenig. Der Sklave meines Freundes Erik wird euch einlassen, so findet jeder zu seinem Platz, der ihm gebührt.«
Trotz Kälte und Nässe wagte niemand aufzubegehren; nicht nur der Nachbar, der neue Gode hatte eingeladen und dessen Wunsch kam einem Befehl gleich. Tyrkir entrollte die Kuhhaut und rief die Namen nach der Rangfolge auf. Wer dem Hochsitz am nächsten platziert war, durfte als Erster durch den engen Torfflur in die Wärme. Gleich nach Betreten überreichte er Mantel und Schwert dem Waffenknecht, einem zweiten Sklaven das Geschenk und erhielt dafür einen gut gefüllten Krug.
Das Langfeuer prasselte; auf den Tischen flackerten Tranleuchten; es roch nach Suppen und Braten. Bald waren alle Bänke besetzt, kein Hocker blieb leer und die einfachen Höfler und Fischer drängten sich auf den Stufen zu den Seitenschiffen.
»Musik! Musik!«, forderte Thorbjörn lautstark, während er sich händeschüttelnd entlang der Ehrentische seinem Platz zwischen den kunstvoll verzierten Stützbalken näherte. Spielleute setzten die Flöten an, griffen in die Harfensaiten und stampften mit den Fußschellen. Hell tanzten ihre Melodien über dem erwartungsfrohen Gelächter und Schwatzen.
Für die Frauen war der hintere Bereich der Wohnhalle nahe den Küchenräumen reserviert. Hier hatten die Gutsherrinnen zunächst ihre Röcke ausgebreitet, mussten bald aber enger zusammenrücken, und auch die feinsten Webstoffe kamen nicht mehr zur Geltung. So blieben den Schönen allein ihr blinkender Gold- und Silberschmuck, die Kämme, Halsketten, Broschen und Armreife, mit dem sie der Nachbarin einen neidvollen Blick entlocken konnten.
Tyrkir hatte für sich am Morgen schon einen Holzklotz nahe dem Eingang versteckt. Erleichtert saß er neben dem Waffenknecht und genoss hier von der Stirnseite des Langfeuers aus den freien Blick in die Halle. Nicht weit von ihm hockte Askel, der seine spitzen Knie umfasst hielt und zum Windauge hinaufstarrte.
Erik hatte den Platz gleich neben Thjodhilds Onkel zugewiesen bekommen. Wie sehr ihn diese Auszeichnung mit Stolz erfüllte, war nicht zu übersehen. Sein Gesicht leuchtete, er widmete Einar Sigmundsson den ersten Trinkspruch und beide gossen das frisch gebraute Festbier genüsslich in sich hinein.
Vielleicht hätten wir doch besser hier auf der Südinsel Land kaufen sollen, ging es Tyrkir durch den Kopf, nie zuvor habe ich meinen Wikinger so unbeschwert erlebt wie in den vergangenen zwei Monaten.
Auf der Ehrenbank links des Langfeuers sah er Thjodhild, die mit Hallweig tuschelte und lachte. Auch sie genießt jeden Tag an der Seite ihrer neuen Freundin. Und was wird im Frühjahr werden? Thjodhilds Anblick verdrängte die Sorge. Meine …, selbst in Gedanken ließ er das Wort Geliebte nicht zu und verbesserte: meine Herrin. Dieses hellblaue Kleid trug sie zum letzten Mal bei ihrer Hochzeit. Mag schon sein, dass der Stoff nicht so fein gewebt ist wie das grüne Kleid unserer Gastgeberin, auch funkeln keine blutroten Steine an ihrer Haarspange. Ganz gleich, müsste ich entscheiden, dann wäre Thjodhild …
»He, träumst du?« Zum zweiten Mal hatte ihn sein Nachbar angestoßen. »Oder willst du mit mir nicht saufen, weil du schreiben kannst und ich nicht.«
»Was denkst du von mir?« Fahrig nahm Tyrkir den dargebotenen Krug. »Aber langsam! Mein Bauch ist noch leer.«
»Darum geht’s doch«, feixte der Waffenknecht. »Erst saufen, bis der Wanst mit Bier voll steht, und dann Braten nachstopfen. Dann macht es erst Spaß!«
»Werde ich mir merken.« Dennoch trank Tyrkir nicht
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