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Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück

Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück

Titel: Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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neben ihm Tyrkir der Deutsche, beide voll gerüstet, beide hielten eine Streitaxt in der rechten Faust. Einen Atemzug später tauchten rechts und links von ihnen bewaffnete Knechte auf. Sie zogen die Pfeilschäfte bis zum Ohr.
    Kopflos versuchte der Breidabauer zu fliehen. Kein Vor und Zurück! Die Reiter des Begleitschutzes versperrten ihm mit gespannten Bogen den Weg. Jetzt erst erinnerte sich Thorgest an seine Hunde. Doch ehe er ihnen einen Befehl geben konnte, brachen sie von Pfeilen durchbohrt neben seinen Füßen zu Boden.
    Entsetzen lähmte den Breidabauern. »Wir können reden«, stammelte er, »über alles.«
    »Du hast meine Ehre beschmutzt.« Kalt war die Stimme des Roten. »Der Gott in mir verlangt nach Sühne.«
    Erik federte mit einem gewaltigen Satz vor den Bauern hin. Schon setzte er ihm die Axtschneide quer an den Hals, nahm Maß und schwang sie waagerecht und weit zurück.
    Kein Entrinnen mehr. In Todesangst würgte, hustete Thorgest. Seine Qual steigerte sich, denn die blitzende Klinge verharrte zum Hieb bereit in der Luft. Keuchend brabbelte er: »Meine Schuld. Ich hab … hab dich betrogen. Ich zahle dir, was du willst.«
    »Kämpfe!« Erik sah auf das Beil im Gürtel des Bauern. »Ich lass dir Zeit. Na, los!«
    Mit dem letzten Mut der Verzweiflung griff Thorgest zur Hüfte, es gelang ihm, die kurze Axt herauszuziehen. Weiter kam er nicht. Aus dem Stand sprang der Hüne hoch, beide Stiefelspitzen trafen im Doppelschlag Arm und Handgelenk und die Waffe wirbelte in den Graben jenseits des Weges. Zerstört sank der Herr vom Breidahof zu Boden. »Töte mich!«, wimmerte er. »Mach ein Ende! So töte mich doch!«
    »Aber, aber. Was verlangst du von mir?« Erik stellte den schweren Axtkopf vor ihm ab und stützte beide Hände auf den Stiel. »Du warst mir überlegen. Jeder meiner Knechte wird es bezeugen.«
    Es dauerte, bis Thorgest den Kopf hob, seine Augen quollen fast aus den Höhlen. »Spiel nicht mit mir!«
    »Nein, du Hundsfott, mir ist es ernst. Ich muss dir einen Vergleich anbieten.« Er winkte dem Deutschen. »Übernimm du den Rest. Ich kann seinen Anblick nicht länger ertragen.«
    »Mein Freund verlangt als Entschädigung für den gestohlenen Hausrat alles Silber, was du bei dir trägst.« Tyrkir schnippte mit den Fingern.
    Sofort nestelte der Bauer den Beutel heraus.
    »Sehr schön. Und nun geh auf deinen Hof zurück. Berichte allen Nachbarn, dass es zu einem Kampf zwischen dir und Erik kam. Weil du ihn schwer bedrängt hast, musste er seine Rache endgültig begraben. Ihr habt Frieden geschlossen. Verstanden? Und nun halte uns nicht länger auf, Bauer!«
    Thorgest rappelte sich hoch. »Frieden.« Er stolperte den Weg zum Breidahof hinauf. »Frieden. Ja, so ist es.«
    Langsam ließ Erik die Axt hin- und herschwingen. »Na, Schlaukopf, was sagst du?«
    »Nicht schlecht für den zukünftigen Goden von Grönland.«
    »Ich glaub, deine Idee war gut.«
    Wie stolz ich auf dich bin, dachte Tyrkir, das sag ich dir besser nicht. Er verzog den rechten Mundwinkel zu einem Grinsen, seine Narbenseite versteckte er unter der Hand.
    Erst Anfang September kam der Regen, zu spät, viel zu spät. Kühe und Pferde hatten kein ausreichendes Gras gefunden, um sich genügend Fett anzufressen. Selbst die Schafe brachten magere Lämmer von den Hochweiden zurück und in den Scheunen lagerte kaum Heu.
    Mehr und mehr verdüsterten Notschlachtungen die unendliche Nacht der Wintermonate auf den Höfen. »Grönland!« Wie ein lichter Zauber nistete sich das Wort in den Herzen der Verzweifelten ein. Die Geschichten am Langfeuer wucherten, ließen die Weiden dort noch grüner, die Ernten noch ertragreicher werden. »Grönland!« Ob tief im Südwesten, ob hoch im Norden, das Gerücht über dieses verheißene Land nährte sich von der drohenden Hungersnot. Und es gab nur einen Mann, der den Schlüssel besaß: Erik Thorvaldsson, der Rote.
    Im April des neuen Jahres vertäute er das Reittier des Meeres in einer vor Sturm geschützten Bucht draußen am Kap der Schneefelshalbinsel und schlug seine Zelte auf. Ein zerklüftetes Lavagebiet dehnte sich über die Landspitze. Der Sammelplatz für die Auswanderer war gut gewählt. »Sollst sehen, Schlaukopf. Bald liegen in unserm Hafen mehr Schiffe als wir mitnehmen wollen.« Er strich die Haarmähne zurück. »Und hier um mein Lager werden sich die Leute drängen wie um eine Godenhütte auf dem Thing.«
    »Passen dir deine Stiefel noch?«, fragte Tyrkir trocken.
    »Wieso?« Der Hüne

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