Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück

Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück

Titel: Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
Vom Netzwerk:
geworden.« Kurz schnalzte sie ihrem Pferd und ritt von da an schweigend vor dem Deutschen her.
    Geröll lag auf dem Weg von der Fahrstraße hinauf zum Hang. Nur Mauerreste erinnerten noch an das Wohnhaus. Jetzt im Zwielicht wirkten sie abweisend, beinah feindlich.
    Vor dem Innenhof glitt Thjodhild aus dem Sattel. »Wo ist er?«
    »Geduld!« Auch Tyrkir saß ab. Durch den Handtrichter ahmte er den seltsamen Flügelgesang einer Himmelsziege nach, Töne, die von hoch oben eine Leiter hinunterfielen. Sofort kam Antwort. Noch einmal ließ er den kleinen Vogel aus luftiger Höhe zu Boden stürzen.
    Ein Sprung, Steine rollten, dann leise Schritte, aus den Trümmern löste sich der Hüne. »Ich hab euch kommen sehen.« Mit ausgestreckten Armen ging er auf Thjodhild zu, sie lief ihm entgegen und verbarg sich an seiner Brust. »Endlich ist mir gut«, seufzte sie. »Es war so kalt ohne dich.«
    Er streichelte ihr Haar, sog den Duft in sich ein. Nur um etwas zu sagen, murmelte er schließlich: »Das Feuer in unserer alten Wohnhalle brennt nicht mehr.«
    Fest drückte sie sich an seinen Körper. »Ach, Erik. Wir zünden neues an. Irgendwo.«
    Als seine Hand ihren Rücken hinuntertastete, flüsterte sie: »Erinnerst du dich noch, wie du mir damals unsere Kammer gezeigt hast? Zeig sie mir wieder.«
    »Du meinst, jetzt? Hat dir denn der Schlaukopf nichts gesagt?«
    »Kein Wort. Nun komm! Erst will ich dich fühlen. Reden können wir später.«
    Über ihre Schulter grinste Erik zu dem Freund hinüber. »Dabei kannst du mir nicht helfen. Aber nachher brauche ich dich.«
    Sie ließen Tyrkir allein. Dort, wo früher das Bett gestanden hatte, breitete Erik seinen Mantel aus. Wie hart der Boden war, spürte Thjodhild erst nach dem Schmerz, dem Rot und dem viel zu kurzem Himmel. »Bleib noch!«, bat sie.
    Doch er zog sich aus ihren Schenkeln und streifte die Hose wieder über.
    »Geht jetzt nicht!«
    Seine Stimme klang beinah barsch: »Bis zum Sonnenaufgang muss ich mit dem Schlaukopf hier verschwunden sein. Und wenn du schon da bist, kannst du auch erfahren, was ich vorhabe.«
    Enttäuscht schloss sie die Augen, nur einen Moment, dann erhob sie sich vom Mantel. »Zumindest sollst du wissen, dass ich mich über eure Rückkehr freue.« Mit wenigen Griffen ordnete sie ihre Kleider und strich das Haar zurück. »Also, ich höre.«
    »Nein, sei nicht böse!« Er legte den Arm um sie. »Mein Kopf ist so voll. Der zerplatzt mir bald. Lass uns rüber zu Tyrkir gehen. Freuen wirst du dich, glaub ich.«
    Erik hatte keine Ruhe, kaum saßen die drei im Innenhof zusammen, sprang er wieder hoch. »Es ist so. Ich habe mein Land gefunden. Da kann ich leben.« Er beugte sich zu seiner Frau. »Verstehst du? Dieses Land gehört mir. Du wirst in ein schönes Haus ziehen. Nicht nur den Platz hab ich abgesteckt. Nein, die Hochsitzbalken stehen schon, das Dach ist fertig.«
    »Warte, Erik! Auch wenn uns kaum Zeit bleibt, es geht zu schnell. Nichts begreife ich.« Flehend wandte sie sich an Tyrkir. »Kläre mich auf! Bitte, der Reihe nach.«
    »Es stimmt, was Erik sagte. Wir haben bewohnbares Land entdeckt. Dort gibt es Fjorde, grüne Weiden, dort lässt es sich leben.« Ruhig erwiderte Tyrkir ihren zweifelnden Blick. »Du darfst mir vertrauen.«
    Der Rote ballte die Faust. »Verdammt, Schlaukopf. So, wie du von meinem Reich erzählst, überredest du keinen, dorthin zu fahren.« Er atmete tief ein und ließ vor seiner Frau die Bilder schwärmen: »Fettes Gras, mehr als genug. Weicher Ackerboden, den Erdgeruch hab ich noch in der Nase. Wärmer als hier ist es da. Fische, Vögel, sogar Walrösser und Eisbären hab ich gesehen. Wir können auf die Jagd gehen, ganze Herden von Rentieren gibt es da. Warte erst mal ab, wenn ich den Siedlern ihre Höfe zugeteilt habe!«
    »Welche Siedler?« Thjodhild presste die Fäuste an die Schläfen. »Ich dachte, ihr habt ein neues Land entdeckt, ohne Menschen.«
    »Das ist unser Glück.« Erik kniete sich vor sie hin. »Bis zum nächsten Sommer will ich hier Leute anwerben. Glaub mir, ich sag ihnen, wo das Leben sich wirklich lohnt. Und jeden Einzelnen suche ich mir aus. Verstehst du, das Gebiet ist groß genug. Die Familien können sich ausbreiten. Ihre Kinder und Kindeskinder werden bald ein neues Volk, mein Volk.« Die eigene Begeisterung riss ihn mit. »Kommt nach Grönland! Dort ruhen selbst die Götter sich auf den Wiesen aus!«
    »Grönland?« Gegen ihren Willen musste sie lachen und fragte den Deutschen: »Hat er den

Weitere Kostenlose Bücher