Erik der Wikinger
sechs Männer kämpfen müssen, und manchmal blieben mehr als sechs Männer tot auf dem Schlachtfeld zurück«, erwiderte Skallagrim. »Mein Rat ist, auf sie zuzureiten!«
»So sei es«, sagte Erik und gab seinem müden Pferd die Sporen. Als die sechs nun sahen, daß Erik und Skallagrim ihnen kühn entgegenritten, schwankten sie, und schließlich sprangen sie auseinander und flohen, bevor ein einziger Schlag gefallen war. Denn so groß war ihre Furcht vor Erik Hellauge und Skallagrim Lammschweif, daß sechs Mann es nicht wagten, ihnen im offenen Kampf entgegenzutreten.
Nachdem der Weg nun frei war, ritten sie den Hang hinauf. Doch nach einem kurzen Stück riß Skallagrim sein Pferd herum und verspottete die Männer, die im Hinterhalt gewartet hatten, indem er sagte:
»Ihr kämpft gut, ihr Kerle von Gizur, Ospakars Sohn! Ihr seid gewiß Helden! Sagt nun, ihr starken Kerle, werdet ihr kämpfen, wenn ich allein gegen euch antrete?«
Bei diesen Worten wurden die Männer rasend vor Wut und schleuderten ihre Speere. Skallagrim wehrte den ersten mit dem Schild ab, so daß er zu Boden fiel, doch ein anderer flog über ihn hinweg, traf Erik in Halsnähe an der linken Schulter und riß eine tiefe Wunde. Erik spürte den Speer tief in seinem Fleisch, doch er packte ihn mit der rechten Hand, zog ihn heraus und schleuderte ihn so heftig von sich, daß der Mann, den er traf, auf der Stelle starb, denn sein Schild konnte ihn nicht aufhalten.
Da flohen die anderen.
Skallagrim verband Eriks Wunde, so gut er konnte, und sie gingen zur Höhle hinauf. Aber Eriks Leute hatten den Kampf von oben gesehen und liefen hinab, so daß man sich auf halbem Wege traf. Nun war die Wunde böse, und Erik blutete stark; doch nach zehn Tagen war sie verheilt.
Aber kurze Zeit, nachdem sich Schorf über Eriks Wunde gebildet hatte, fiel der erste Schnee auf dem Moosberg, und die Tage wurden kurz und die Nächte lang. Einmal kamen fast fünfzig von Gizurs Männern den Moosberg zur Hälfte hinauf, um ihn einzunehmen; aber als sie sahen, wie gut der Ort zu verteidigen war, bekamen sie es mit der Angst zu tun und kehrten um, und danach kamen sie nicht mehr zurück, obwohl sie den Berg unentwegt beobachteten.
Es war sehr dunkel und einsam dort auf dem Berg. Für eine Weile war Erik guten Mutes, doch als die Tage verstrichen, wurde er zunehmend bekümmerter. Denn seit seiner Verletzung fürchtete er die Dunkelheit, und Atlis Tod – durch seine Hand – und dessen Worte lasteten immer schwerer auf seiner Seele. Sie hatten keine Kerzen auf dem Berg, so daß Erik es vorzog, nicht in der Dunkelheit der Höhle zu sitzen, sondern in Schaffelle gehüllt an der Kante des Abgrundes niederzukauern, in den zu stürzen ihm der Kopf des Berserkers vorausgesagt hatte. Dort schaute er über die weite Ebene und die Berge mit ihren schneebedeckten Gipfeln hinaus, die im silbernen Glanz des Nordlichts oder in den weißen Strahlen der Sterne leuchteten.
Nun hatte Erik die Männer, die bei ihm geblieben waren, gebeten, eine steinerne Hütte auf der Felsebene vor der Höhle zu bauen und das Dach mit Torf zu decken.
Dies hatte er einerseits angeordnet, damit sie durch die Arbeit guten Mutes blieben, aber auch, damit man die Vorräte, die sie zusammengetragen hatten, irgendwo lagern konnte. Nun lag dort ein Stein, den keine zwei Männer tragen konnten, außer Skallagrim und einem anderen. Eines Morgens sah Erik, wie die beiden den Stein dorthin rollten, wohin er gehörte, und dabei nur langsam vorankamen. Immer wieder mußten sie eine Pause einlegen. Da kam Erik, legte die Hände unter den Stein und hob ihn hoch, und während die Männer staunten, rollte er die schwere Last allein an jene Stelle, wo sie als Eckstein der Hütte benötigt wurde.
»Ihr seid wie Rinder«, sagte er und lachte fröhlich.
»Ay, wenn wir unsere Kraft mit der deinen vergleichen, Herr«, gab Skallagrim zurück. »Aber sieh! Blut läuft von deinem Hals – die Speerwunde ist wieder aufgebrochen.«
»So wird es sein«, sagte Erik. Dann wusch er sich die Wunde aus, verband sie und dachte sich nicht viel dabei.
Aber in dieser Nacht saß Erik, wie er es sich angewöhnt hatte, am Rande des Abgrundes und schaute auf die Winterlichter, die über Heklas Schnee spielten. Er war traurig und schwermütig, denn er dachte an Gudruda und fragte sich, ob sie wohl jemals heiraten würden. Wenn er sich an Atlis Worte erinnerte, hatte er wenig Vertrauen in sein Glück. Als Erik nun dasaß und grübelte,
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