Erinnerung an einen schmutzigen Engel: Roman (German Edition)
wie Elin sich über die Nägel ihres Vaters gebeugt hatte und sie mit unendlicher Zärtlichkeit und Mühe gleichmäßig geschnitten und gesäubert hatte.
Sie fragte sich flüchtig, wer die Nägel des Steuermanns Lundmark geschnitten hatte. Svartman hatte etwas gesagt, woraus sie geschlossen hatte, Steuermann Lundmark sei unverheiratet. Svartman hatte sie auch gefragt, ob sie einen Verlobten habe, der sie erwarte. Als sie das verneinte, wirkte er zufrieden. Er hatte gemurmelt, es sei besser, wenn nicht allzu viele aus der Besatzung Familie hatten.
»Wenn etwas geschieht«, hatte er hinzugefügt. »Das Meer verspricht uns nichts anderes als das Unerwartete.«
Lundmark sah sie lächelnd an. »Willkommen an Bord«, sagte er.
Sie betrachtete ihn verdutzt. Es war Forsman, der da redete. Lundmark imitierte seine Stimme mit großer Treffsicherheit.
»Du klingst wie er«, sagte sie.
»Ich kann, wenn ich will«, sagte Lundmark. »Auch in einem dritten Steuermann kann sich eine Reederstimme verbergen.«
Ein ferner Ruf von der Brücke unterbrach das Gespräch. Der schwarze Rauch aus den Schornsteinen senkte sich auf das Deck. Sie musste sich umdrehen, damit er nicht in den Augen brannte.
Als Küchenhilfe hatte sie einen fünfzehnjährigen Jungen, der Lars hieß. Auch für ihn war es die erste Reise. Er war elternlos und ängstlich. Als er ihr die Hand gab, spürte sie, dass er sie wegziehen würde, falls sie zu fest drückte.
Kapitän Svartman hatte braune Bohnen mit Speck für diesen ersten Tag bestellt.
»Ich bin nicht abergläubisch«, hatte er gesagt. »Aber meine besten Reisen haben immer damit angefangen, dass die Mannschaft am ersten Tag braune Bohnen mit Speck bekommen hat.«
Abends, als sie alles für das morgige Frühstück vorbereitet hatte, ging sie hinaus an Deck. Die Schären lagen jetzt hinter ihnen, und sie steuerten nach Süden. Die Sonne ging hinter den Hügelketten an Steuerbord unter.
Plötzlich befand sich Lundmark wieder an ihrer Seite. Zusammen betrachteten sie schweigend die Sonne, die langsam verschwand.
»Steuerbord«, sagte er unvermittelt. »Alles hat eine Erklärung. Ein komisches Wort, das doch etwas bedeutet. Früher stand man mit einem Steuerruder hinten am Heck. Das hielt man auf der rechten Seite, weil man dann die Kraft des rechten Arms einsetzen konnte, die meist größer ist als die des linken. So entstand das Wort Steuerbord.«
»Und Backbord?«, fragte sie.
Lundmark schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht. Aber ich werde es herausfinden.«
Es wurde bald zu einer Gewohnheit. Jeden Abend standen Hanna und der Steuermann an Deck und sprachen miteinander. Wenn es regnete oder zu stark stürmte, suchten sie Schutz unter dem Vorsprung an der Kombüse.
Warum es Backbord hieß, darauf würde sie jedoch niemals eine Antwort bekommen.
17
Das ist das Bemerkenswerteste, dachte sie: Jeden Morgen, wenn ich in meiner Koje aufwache, bin ich weitergereist. Ich befinde mich nicht mehr dort, wo ich eingeschlafen bin.
Aber noch etwas hatte sich für sie verändert. Sie hatte begonnen, eine gewisse Erwartung vor den Treffen mit Lundmark zu empfinden. Nach und nach erzählten sie einander, wer sie waren, woher sie kamen, und an dem Abend, an dem er seinen Arm um sie legte, zuckte sie nicht zurück.
Da befanden sie sich im Ärmelkanal und tasteten sich durch einen Nebel, der wie eine Wand vor ihnen stand. Nebelhörner brüllten aus verschiedenen Richtungen. Sie stellte sich Tiere vor, die sich verirrt hatten und jetzt versuchten, wieder zur Herde zu finden. Kapitän Svartman stand während der Zeit des Nebels stets auf der Kommandobrücke und hatte einen zusätzlichen Ausguck beordert. Hin und wieder tauchten schwarze Schiffe mit schlaffen Segeln oder mit rauchenden Schornsteinen aus all dem Weißen auf und glitten vorbei, manchmal viel zu nah, das konnte sie Svartman ansehen, der den Kopf schüttelte und befahl, die Geschwindigkeit noch weiter zu drosseln.
Zwei Tage und zwei Nächte kamen sie kaum vorwärts. Alle vorhandenen Laternen und Leuchten wurden an Deck entzündet. Hanna fiel es schwer zu schlafen, und oft verließ sie ihre Kabine. Aber sie achtete immer darauf, nicht im Weg zu sein.
Kapitän Svartman bat sie am zweiten Tag, nach dem Schiffsjungen zu suchen, der verschwunden war. Sie fand ihn in der Vorratskammer, wo er sich versteckt hatte und vor Angst zitterte. Sie tröstete ihn und nahm ihn mit an Deck, wo Svartman ihm eine Laterne in die Hand drückte.
»Arbeit heilt«,
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