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Erinnerung an einen schmutzigen Engel: Roman (German Edition)

Erinnerung an einen schmutzigen Engel: Roman (German Edition)

Titel: Erinnerung an einen schmutzigen Engel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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der aus irgendeinem Grund auf den Namen Judas getauft war, und mit vereinten Kräften befreiten sie die verletzte Frau. Der Bure hatte nie Reue gezeigt. Es schien ihn überhaupt nicht zu kümmern. Prinsloo gab der geschlagenen Frau kein zusätzliches Geld und zögerte auch nicht, sie wieder zu verlangen, wenn er erneut zu Besuch kam.
    Aber da hatte Vaz eine Grenze gezogen. Keine Frau, die Prinsloos brutales Vorgehen erlitten hatte, sollte noch einmal mit ihm ins Bett gehen müssen. Er erklärte dann, die Frau sei mit anderen Kunden beschäftigt und würde es während der ganzen Zeit sein, die Prinsloo im O Paraiso verbrachte, oft drei oder vier Tage. Ob Prinsloo ihn durchschaute, vermochte er nicht zu beurteilen, aber der Bure konnte unter anderen Frauen wählen, und es herrschte höchste Alarmstufe, falls er wieder anfangen würde, die Frau zu misshandeln, die ihn zufriedenzustellen versuchte.
    Senhor Vaz grübelte über diesen Hass nach. Er verstand ihn nicht, und er erschreckte ihn. Es war, als warnte er ihn vor einer Gefahr. Etwas, was er nicht über sich selbst wusste.
    Als er schlaftrunken an der Tür stand und Prinsloo vor der weißen Frau mit zerrissener Bluse stehen sah, sagte er sich, dass der Bure jetzt zu weit gegangen war. Prinsloo hatte sich an einem Gast, und noch dazu einer weißen Frau, vergreifen wollen. Senhor Vaz konnte ihm keine Nachsicht mehr gewähren. Er fühlte sich persönlich gekränkt.
    Für ihn gab es nichts Schlimmeres. Gekränkt zu werden bedeutete, dass der Tod seine Widerstandskraft auf die Probe stellte.

32
     
    Senhor Vaz war ein kleiner Mann und nicht sehr stark. Aber sein Zorn befähigte ihn, Prinsloo am Kragen zu packen, ihn aus dem Zimmer zu schleifen und dann die Treppe hinunterzustoßen. Der Schrei aus dem Obergeschoss hatte die schlafenden Huren geweckt. Viele von den Frauen mochten einander nicht. Selten ging es so weit, dass sie sich zu prügeln begannen. Doch wenn Gefahr und Bedrohung von außen kamen, hielten sie fest zusammen.
    Jetzt standen sie an der Treppe, als Prinsloo heruntergetaumelt kam. Senhor Vaz folgte ihm, seinerseits von Judas gefolgt, und ganz am Schluss kam Carlos, auf Prinsloos weißem Taschentuch herumkauend.
    Senhor Vaz blieb auf der untersten Treppenstufe stehen und betrachtete Prinsloo, der sich den Kopf angeschlagen hatte und aus einer Augenbraue und der Hand blutete, in die Carlos ihn gebissen hatte.
    »Jetzt gehst du«, sagte er. »Und du kommst nie wieder hierher.«
    Prinsloo drückte die unverletzte Hand an die Augenbraue und schien zunächst nicht verstanden zu haben, was Senhor Vaz gesagt hatte. Dann machte er eine drohende Gebärde zu den Prostituierten hin, die ihn umringten, und tat einen Schritt auf Senhor Vaz zu.
    »Du weißt, dass ich gern meine Freunde mit hierherbringe«, sagte er. »Wirfst du mich hinaus, wirfst du auch sie hinaus.«
    »Ich erkläre ihnen gern, warum ich dich nicht hierhaben will.«
    Prinsloo antwortete nicht. Plötzlich schrie er auf und beugte sich vor, als hätte ihn ein starker Schmerz getroffen. »Wasser«, schrie er. »Heißes Wasser. Ich muss das Blut abwaschen.«
    Senhor Vaz nickte einer der Frauen zu, Wasser zu holen. Die anderen verscheuchte er. Sie verschwanden schweigend in ihren Zimmern. Prinsloo setzte sich auf die unterste Treppenstufe. Als der Diener mit einer emaillierten Waschschüssel kam, wischte er sich sorgfältig das Blut aus der Stirn und von der Hand.
    »Eis«, sagte er dann und wankte zu einem Sofa.
    Senhor Vaz ging selbst in die Küche und zum Eiskasten und hackte zwei große Stücke ab, die er in Handtücher wickelte. Prinsloo drückte das Eis auf die Wunden. Als der Blutfluss gestillt war, stand er auf, knöpfte das Hemd zu, zog Socken und Schuhe an und verschwand zur Tür hinaus.
    Die Eisstücke in den Handtüchern ließ er auf dem Boden liegen. Senhor Vaz trug sie in die Küche, ging dann wieder die Treppe hinauf und klopfte an das Zimmer Nummer 4. Als er Hannas Stimme hörte, öffnete er und trat ein. Sie saß auf dem äußerten Bettrand und hatte die zerrissene Bluse mit einer anderen getauscht.
    Senhor Vaz suchte nach Spuren von Tränen in ihrem Gesicht, fand aber keine. Er setzte sich auf den einzigen Stuhl im Zimmer.
    Sie schwiegen. Hanna dachte, es sei doch so, als würde er für das um Entschuldigung bitten, was geschehen war.
    Als er schließlich aufstand, sich verbeugte und das Zimmer verließ, sah sie sich in der Überzeugung bestätigt, dass sie die Stadt so schnell wie

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