Erinnerung Des Herzens
ja?«
»Natürlich.«
»Und wie geht es meiner faszinierenden Exfrau?«
Julia konnte die kaum verhüllte Zuneigung in seiner Stimme erkennen. »Sie ist so faszinierend wie immer, glaube ich. Sie spricht liebevoll von Ihnen.«
»Uns verbindet eine dieser seltenen Freundschaften, die wärmer werden, wenn die Lust sich abkühlt.« Er lachte. »Was nicht heißen soll, dass sie gegen Ende unserer Ehe nicht ziemlich sauer auf mich gewesen ist, und das mit gutem Grund.«
»Wenn es um Untreue geht, werden sicher viele Frauen sauer.«
Wieder dieses rasch aufblitzende Lächeln, das sie an Paul erinnerte. Julia konnte nicht widerstehen und lächelte gleichfalls. Frauen, die nicht mit ihrer Meinung hinterm Berge hielten, hatten ihm schon immer gefallen. »Meine Liebe, wenn es um die Reaktionen von Frauen auf Untreue geht, bin ich der führende Experte. Aber ich glaube, dass unsere Freundschaft zum großen Teil deshalb bestehen blieb, weil Eve so vernarrt in Paul ist.«
»Es stört Sie nicht, dass Ihre Exfrau und Ihr Sohn so eng miteinander verbunden sind?«
»Überhaupt nicht.« Langsam und mit großem Genuß aß er während des Gesprächs seinen Kuchen. Julia stellte sich vor, dass er sich an seinen Frauen in ganz ähnlicher Weise erfreut hatte. »Ehrlich, ich war ein schlechter Vater. Ich fürchte, ich hatte einfach keine Ahnung davon, was ich mit einem Jungen anfangen sollte. Im Babyalter ist es noch etwas einfacher, man steht am Kinderbettchen und stößt gurrende Laute aus, oder man fährt den Kinderwagen im Park spazieren, stolz und selbstgefällig. Für die weniger angenehmen Aufgaben hatten wir ein Kindermädchen.«
Keineswegs beleidigt lachte er, als er ihren Gesichtsausdruck sah, und tätschelte ihr die Hand, bevor er neuen Tee eingoss. »Liebe Julia, bitte beurteilen Sie mich nicht zu hart. Immerhin gebe ich meine Fehler zu. Meine Familie war das Theater. Paul hatte das Unglück, zwei schrecklich selbstsüchtige und außergewöhnlich begabte Eltern zu haben, die keine
Ahnung hatten, wie man ein Kind aufzieht. Und Paul war auch noch so unglaublich hell.«
»Das klingt eher wie eine Beleidigung als ein Kompliment.«
Aha, dachte er, die Dame ist betroffen. Er kaschierte sein Lächeln mit einer vorgehaltenen Serviette. »Zu dieser Zeit war ich der Meinung, dass der Junge ein Rätsel war, das ich nicht lösen konnte. Eve ging ganz natürlich mit ihm um. Aufmerksam, interessiert, geduldig. Ich gebe zu, dass wir es ihr zu verdanken haben, Paul und ich, dass wir uns wesentlich besser verstanden.«
Julia ertappte sich dabei, schon wieder urteilen zu wollen, und rief sich zur Ordnung. »Haben Sie etwas dagegen, wenn ich meinen Recorder einschalte? Das macht es mir leichter, wirklich genau zu sein.«
Er zögerte einen Augenblick, dann nickte er zustimmend. »Natürlich, Genauigkeit ist wichtig.«
So unauffällig wie möglich stellte sie den Recorder auf eine Ecke des Teetischchens und schaltete ihn ein. »Im ersten Jahr Ihrer Ehe erschienen einige Artikel über Sie und Eve und Paul, Geschichten aus ihrem Familienleben.«
»Familie.« Rory kostete das Wort aus, dann nickte er. »Eine seltsame Vorstellung für mich, doch es stimmt, wir waren eine Familie. Eve wünschte sich so sehr eine Familie. Vielleicht weil ihr klargeworden war, was sie als Kind vermisst hatte. Oder auch, weil sie das Alter erreicht hatte, in dem ihr Hormonhaushalt sie dazu zwang, sich nach jedem Kinderwagen umzudrehen. Sie hat sogar mich davon überzeugt, dass wir ein eigenes Kind haben sollten.«
Diese neue, faszinierende Information alarmierte Julia. »Sie und Eve wollten ein Baby haben?«
»Meine Liebe, Eve kann sehr überzeugend sein.« Er gluckste und setzte sich zurück. »Wie zwei Generäle zogen wir alle Register der Strategie, Monat für Monat. Unsere Schlachten waren heiß und aufregend, aber der Sieg blieb uns vorenthalten. Schließlich fuhr Eve zu einem Spezialisten nach Europa, Frankreich war es, glaube ich. Sie kehrte mit der Nachricht zurück, dass sie kein Kind zur Welt bringen konnte.« Er setzte seine Teetasse ab. »Ich muss sagen, sie trug diese für sie so verheerende Auskunft bewundernswert. Eve weinte nicht, klagte nicht und fluchte nicht. Sie warf sich ganz in ihre Arbeit. Ich weiß, wie sie gelitten hat. Sie schlief schlecht, und wochenlang hatte sie keinen Appetit.«
Ein objektives Interview? fragte sich Julia und blickte in die Flammen. Gar keine Chance. Ihre Sympathie, ihr Mitgefühl waren zu stark. »Sie haben
Weitere Kostenlose Bücher