Erinnerung Des Herzens
liebte.
Oder sie würde alle verfügbaren Mittel eingesetzt haben, ihn dazu zu bringen, sie zu lieben. Aber diesmal hatte die Vernunft gesiegt, und sie waren übereingekommen, als Freunde und gute Kollegen an die Westküste zurückzukommen.
Ihr war klargeworden, dass Peter sie an Victor erinnerte, an den vitalen, charmanten und begabten Mann, den sie so hoffnungslos liebte. Oh, wie sie ihn vermisst hatte. Von all ihren Ängsten war die schlimmste die, dass sie Zeit vergeuden könnten, die nie mehr einzuholen war.
Fünf Minuten später traf Julia ein. Sie war außer Atem, weil sie sich beeilt hatte, bzw. das Gefühl gehabt hatte, sich beeilen zu müssen. In dem Augenblick, als sie Eve sah, die in ihrem saphirblauen Turnanzug phantastisch aussah, wusste sie, warum. Sie hatte ihr gefehlt, dachte Julia. Sie hatte Eves ätzende Bemerkungen vermisst, ihre ehrlichen Erinnerungen, ihr überdimensionales Ego, ihre Arroganz. Alles. Sie lachte innerlich, als sie beobachtete, wie sich Eve mit den Gewichten abplagte.
In diesem Augenblick schaute Eve hoch und erwiderte Julias Lächeln. Auch Fritz schaute zu ihr herüber, dann wanderten seine Blicke von der einen Frau zur anderen. Er hob die Brauen, sagte aber nichts. Irgendwas war zwischen ihnen völlig unerwartet geschehen. Als Eve sich streckte, hatte Julia das Bedürfnis, zu ihr zu gehen und sie zu umarmen. Sie wusste auch, dass Eve die Umarmung erwidern würde. So durchquerte sie den Raum, streckte Eve dann aber nur beide Hände hin und verschränkte ihre Finger mit den ihren.
»Wie war's im Sumpf?«
»Heiß.« Eve schaute Julia ins Gesicht und war zufrieden mit dem, was sie dort entdeckte. Entspanntheit, ruhiges Glück.
»Wie war's in London?«
»Kalt.« Immer noch lächelnd stellte Julia ihre Gymnastiktasche ab. »Rory lässt viele Grüße senden.«
»Hm. Wissen Sie, was ich wirklich erfahren möchte, ist Ihre Meinung über seine neue Frau.«
»Ich glaube, sie passt großartig zu ihm. Sie erinnert mich ein bisschen an Sie.« Sie unterdrückte ein Lächeln, als sie den ungläubigen Ausdruck in Eves Gesicht sah.
»Also wirklich, Darling. Keine ist so wie ich.«
»Sie haben recht.« Zur Hölle damit, dachte sie und ging rasch auf Eve zu, um sie doch noch zu umarmen. »Sie haben mir gefehlt.«
Plötzlich glitzerten Tränen in Eves Augen, schnell, überraschend und schwer zu kontrollieren. »Ich hätte Sie gern bei mir gehabt. Ihre kühle Beobachtungsgabe hätte die Langeweile zwischen den einzelnen Aufnahmen belebt. Aber ich habe das Gefühl, dass Sie angenehme Gesellschaft in London hatten.«
Julia trat zurück. »Sie wissen, dass Paul da war?«
»Ich weiß alles. Sie sind glücklich.«
»Ja. Nervös, benommen, aber glücklich.«
»Sie müssen mir alles erzählen.«
»Arbeiten Sie«, sagte Fritz. »Unterhalten Sie sich bei der Arbeit. Sie sollten nicht nur Ihre Zungen in Übung halten.«
»Man kann bei dieser Schwerstarbeit kein Gespräch führen«, erklärte Julia. »Wie soll man da noch Luft bekommen?« Fritz grinste nur.
Aber irgendwie schaffte sie es doch, Eve schweißüberströmt von London zu berichten, von Paul, von all den Gefühlen, die sie beherrschten. Es fiel ihr so leicht, dass sie nicht einmal darüber staunte. Vor Jahren war es ihr vollständig unmöglich gewesen, mit ihrer Mutter über Lincoln zu sprechen. Jetzt fühlte sie keine Scham, keine Furcht.
Es hätten sich viele Möglichkeiten im Laufe des Gespräches ergeben, auf Delrickio zu sprechen zu kommen, aber Julia hatte das Gefühl, dass der richtige Zeitpunkt dafür noch nicht gekommen war. Und es störte sie auch, dass Fritz dabei war. Sie redete lieber von Dingen, die sie für unverfänglicher hielt.
»Ich habe heute nachmittag einen Termin mit Ninas Vorgänger, Kenneth Stokley.«
»Tatsächlich? Ist er hier?«
»Nein, er ist in Sausalito. Ich fliege für ein paar Stunden hin. Möchten Sie mir vorher noch irgend etwas über ihn erzählen?«
»Über Kenneth?« Eve schürzte die Lippen, als sie mit ihren Beinübungen fertig war. »Sie werden vielleicht feststellen, dass es nicht einfach ist, ihn zu interviewen. Er ist unglaublich höflich, aber nicht sehr zugänglich. Ich mochte ihn sehr gern und habe es bedauert, dass er kündigte.«
»Ich dachte, Sie hätten eine Meinungsverschiedenheit gehabt?«
»Das stimmt, aber er war ein Top-Assistent für mich.« Sie nahm ein Handtuch und trocknete sich das Gesicht ab. »Er hatte keine sehr hohe Meinung von meinem Ehemann. Meinem Ehemann
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