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Erinnerung Des Herzens

Erinnerung Des Herzens

Titel: Erinnerung Des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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auf die Uhr. Sechs Uhr fünfundzwanzig. Pünktlich auf die Minute.
    Seit fünfzehn Jahren führte er eine harmonische Ehe mit seiner Frau Elizabeth. Ihr Leben verlief äußerst angenehm. Er gehörte zu den geschätztesten Rechtsanwälten der Ostküste, und sie genoß es, die Ehefrau eines so erfolgreichen Mannes zu sein. Sie hatten zwei aufgeweckte, guterzogene Kinder, die nichts anderes kennengelernt hatten als Überfluß und Stabilität. Vor einem Jahrzehnt hatte es eine Krise gegeben, aber sie war beigelegt worden, ohne einen Stachel zurückzulassen. Im Laufe der Jahre war ihre Ehe zu einer gut funktionierenden Routine geworden, aber genau das war es, was sie beide wollten.
    Wie jeden Morgen nahm sich Lincoln seinen Becher mit der Aufschrift »Rechtsanwälte machen es in ihren Slips«, der ein Geschenk seiner Tochter Amelia zu seinem vierzigsten Geburtstag war. Er trank die erste Tasse Kaffee am Morgen gern allein und sah sich dabei die Nachrichten im Fernsehen an. Anschließend ging er dann nach oben, um zu duschen. Es war ein gutes Leben, dachte Lincoln, als er den Apparat einschaltete. Der Nachrichtensprecher kündigte eine überraschende Wendung im Mordfall Eve Benedict an.
    Der Becher glitt Lincoln aus den Fingern und brach entzwei. Der heiße kolumbianische Kaffee lief wie ein kleiner Bach über die glänzend weißen Fliesen.
    »Julia.« Tonlos flüsterte er ihren Namen, als er nach einem Stuhl griff.
    Sie war allein, hatte sich in die Couchecke gesetzt und versuchte, sich Notizen zu machen. Aber sie kam nicht damit voran. Sie musste eine Liste der Prioritäten aufstellen, notieren, was alles erledigt werden musste.
    Natürlich brauchte sie einen Rechtsanwalt. Den besten, den sie sich leisten konnte. Das konnte bedeuten, dass sie eine zweite Hypothek auf ihr Haus aufnehmen, es vielleicht sogar verkaufen musste. Eves Geld kam nicht in Frage, selbst dann nicht, wenn sie es gewollt hätte. Solange sie verdächtigt wurde, Eves Tod verursacht zu haben, durfte sie sich nichts davon nehmen.
    Sie musste Vorsorge für Brandon treffen. Es musste für ihn gesorgt werden, während des Prozesses und danach, falls ... Aber daran wollte sie jetzt noch nicht denken. Sie hatte keine Familie mehr. Natürlich hatte sie Freunde, und viele von ihnen hatten schon versucht, sie jetzt zu erreichen. Aber wem hätte sie ihr Kind anvertrauen können?
    An diesem Punkt war sie ins Stocken geraten.
    Alle paar Minuten klingelte das Telefon. Dann hörte sie Pauls Stimme am Anrufbeantworter, der erklärte, dass niemand zu Hause wäre. Nicht nur zahllose Reporter riefen an, sondern auch gute Freunde und Bekannte, die besorgt um sie waren: CeeCee, Nina, Victor. Du lieber Himmel, Victor. Als sie seine Stimme hörte, schloss sie die Augen. Wusste er es bereits? Vermutete er es? Was hätten sie einander sagen können, ohne einander noch mehr weh zu tun?
    Sie wünschte sich, dass Paul zurückkommen würde. Gleichzeitig wünschte sie sich, dass er noch länger fortbleiben würde, damit sie allein sein könnte. Er hatte ihr nur gesagt, er hätte einiges zu erledigen. Er hatte nicht gesagt, worum es sich handelte, und sie hatte ihn nicht danach gefragt.
    Er hatte Brandon zur Schule gebracht.
    Brandon. Sie musste Vorkehrungen für ihn treffen.
    Als das Telefon wieder läutete, kümmerte sie sich nicht darum. Aber die Stimme klang so eindringlich, dass sie unwillkürlich aufhorchte. Dann erkannte sie sie.
    »Julia, bitte, ruf mich an, sobald wie möglich. Ich habe alle Verabredungen für heute abgesagt und bin den ganzen Tag zu Hause. Ich habe gerade die neuesten Informationen gehört, heute Morgen. Bitte melde dich bei mir. Ich kann dir nicht sagen, wie ... Ruf mich an. Die Nummer lautet..«
    Langsam war sie aufgestanden, ohne es eigentlich zu wollen, ging durch das Zimmer und nahm den Hörer ab. »Lincoln, hier ist Julia.«
    »Oh, Gott sei Dank. Ich wusste nicht einmal mit Bestimmtheit, ob ich die richtige Nummer bekommen hatte. Ich habe alles versucht, was in meiner Macht lag.«
    »Warum rufst du mich an?«
    Er hörte keine Bitterkeit in ihrer Stimme, sondern nur Verwirrung. Das trieb ihm die Schamröte ins Gesicht. »Weil du kurz vor einem Mordprozess stehst. Ich kann es nicht glauben, Julia. Ich kann nicht glauben, dass sie genügend Beweise für einen Prozess besitzen.«
    Seine Stimme hatte sich nicht verändert, stellte sie fest. Sie klang freundlich und präzise. Ihr fuhr der blödsinnige Gedanke durch den Kopf, ob er seine Unterwäsche wohl

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