Erinnerung Des Herzens
blaß, sondern gerötet von pulsierendem Leben. Sie packte seine Handgelenke und zog seine Hände an ihre Brüste. Als er in sie eindrang, warf sie den Kopf zurück, erstarrte für einen Augenblick und erschauerte, als sie kam.
Sie schaute ihn fest an, als sie seine Handfläche an ihren Mund hob, um sie zu küssen. Dann stieß sie einen Schrei aus, in dem sowohl Verzweiflung als auch Triumph lag, und fing an, ihn zu reiten, schnell und hart, als ritte sie um ihr Leben.
Eine Stunde lang schlief sie in traumloser Erschöpfung. Dann wurde ihr die Wirklichkeit wieder bewußt. Innerhalb von
Sekunden war sie hellwach. Sie unterdrückte einen Entsetzensschrei, als sie sich aufsetzte. Sie war sicher gewesen, dass sie sich in der Zelle wiederfinden würde. Allein. Eingesperrt.
Paul stand aus dem Sessel auf, von dem aus er sie beobachtet hatte, ging ans Bett und nahm ihre Hand. »Ich bin hier.«
Sie brauchte einen Augenblick, um Luft holen zu können. »Wie spät ist es?«
»Es ist noch früh am Abend. Ich wollte gerade nach unten gehen und uns etwas zu essen machen.« Er nahm ihr Kinn in seine Hand, bevor sie den Kopf schütteln konnte, »Du musst essen.«
Natürlich. Sie musste essen und schlafen und gehen und atmen. Sie musste all diese ganz normalen Dinge tun, um sich auf das ganz und gar nicht Normale vorzubereiten. Und dann gab es noch etwas, was sie tun musste.
»Paul, ich muss mit Brandon reden.«
»Heute Abend?«
Um die aufsteigenden Tränen zu unterdrücken, schaute sie weg zum Fenster und auf das rauschende Meer. »Ich hätte sofort zu ihm gehen sollen, aber ich war nicht sicher, ob ich dem Gespräch mit ihm gewachsen wäre. Ich fürchte, er könnte irgendetwas hören oder im Fernsehen mitbekommen. Ich muss es ihm erklären, ihn selber darauf vorbereiten.«
»Ich rufe CeeCee an. Nimm ein paar Aspirin und dann am besten eine lange, heiße Dusche. Ich bin unten.«
Sie zupfte an der Decke, als er zur Tür ging »Paul ... Danke. Für alles.«
Er lehnte sich gegen den Türpfosten, verschränkte die Arme und hob eine Braue. In seinem besten britischen Akzent sagte er amüsiert: »Bedankst du dich bei mir, weil ich Liebe mit dir gemacht habe, Jules?«
Sie zuckte unbehaglich mit den Schultern. »Ja.«
»Nun gut, dann sollte ich vermutlich sagen, dass du mir immer willkommen bist, meine Liebe. Du kannst mit mir rechnen. Jederzeit.«
Als sie hörte, wie er die Treppe hinunterging, tat sie etwas, von dem sie nie geglaubt hätte, dass sie es je wieder können würde. Sie lächelte.
Die Dusche half, ebenso die paar Bissen, die sie von dem Omelett verzehren konnte, das Paul servierte. Er erwartete nicht, dass sie sich mit ihm unterhielt. Das war auch etwas, wofür sie ihm dankbar war. Er schien zu verstehen, dass sie sich überlegen musste, was sie ihrem Sohn sagen wollte. Wie sie ihrem kleinen Jungen erklären konnte, dass seine Mutter wegen Mordes angeklagt wurde.
Als sie den Wagen hörte, sprang sie auf. Mit ineinander gepreßten Händen wandte sie sich Paul zu. »Ich glaube, es wäre das beste ...«
»Wenn du mit ihm allein sprichst«, ergänzte er. »Ich bin in meinem Büro. Bedank dich nicht wieder bei mir, Jules«, sagte er, als sie den Mund öffnete.
Julia nahm sich zusammen und öffnete die Tür. Da stand Brandon, seine Tasche um die Schulter gehängt, und grinste sie an. Er brachte es fertig, nicht gleich mit allem herauszuplatzen, was er tagsüber erlebt hatte. Er dachte daran, dass sie müde sein musste. Sie war zu einer Beerdigung gegangen, und ihre Augen sahen traurig aus.
Hinter ihm streckte CeeCee Julia die Hand hin. Dieses unausgesprochene Zeichen von Unterstützung und Vertrauen schnürte Julia die Kehle zu.
»Rufen Sie mich einfach an«, sagte CeeCee. »Sie brauchen mir nur zu sagen, was Sie brauchen.«
»Ich ... Ich danke Ihnen.«
»Rufen Sie mich an«, wiederholte CeeCee und strich Brandon kurz übers Haar. »Bis bald, mein Junge.«
»Auf Wiedersehen. Sag Dustin, dass wir uns in der Schule sehen.«
»Brandon.« Oh Gott, dachte Julia. Sie war sich so sicher gewesen, dass sie gut vorbereitet war. Aber er blickte sie an, und sein Gesicht war so kindlich, so voller Vertrauen. Sie führte ihn aufs Dach. »Wir wollen ein bisschen hier draußen bleiben.«
Er wusste alles über den Tod. Sie hatte es ihm erklärt, als seine Großeltern gestorben waren. Die Menschen verließen die Erde, fuhren in den Himmel hoch wie Engel und all das. Manchmal waren sie vorher schwer krank gewesen oder hatten
Weitere Kostenlose Bücher