Erinnerung Des Herzens
noch als Teil ihrer Arbeit rechtfertigen können. Aber musste man ihr erst am Morgen des bevorstehenden Festes mitteilen, dass ihre Anwesenheit erwartet wurde?
Sie war nicht gefragt worden, nicht eingeladen, sondern hinbefohlen.
Immerhin war sie gewillt, einen großen Teil des Nachmittags damit zu verbringen, sich zu überlegen, was sie anziehen sollte. Zeit, in der sie besser hätte arbeiten sollen. Als ihr Ärger über Eve gerade seinen Höhepunkt erreicht hatte, klopfte Nina an die Tür und brachte ihr drei Kleider. Kleider, die Eve selber unter ihren Sachen ausgewählt hatte für den Fall, dass Julia auf einen so feierlichen, offiziellen Anlaß nicht vorbereitet sein sollte.
Auch das konnte man als diktatorisch bezeichnen, aber es war zweifellos auch entgegenkommend. Julia fühlte sich sehr versucht, sich eines der drei schimmernden Gewänder auszusuchen. Sie hatte sie auf ihrem Bett ausgebreitet - seidene, mit Pailletten besetzte Gebilde im Wert von mehreren tausend Dollar. Schwach geworden, probierte sie eins an - einen trägerlosen Hauch von korallenfarbener Seide. Es war ihr nur wenig zu groß über dem Busen und über den Hüften.
Als sie sich darin im Spiegel sah, wirkte ihre Haut schimmernder und cremiger. Sie kam sich wie verzaubert vor. Hätte auch sie in Beverly Hills wohnen können, wenn ihr Leben nicht eine andere Wendung genommen hätte? Hätte auch sie einen Schrank voll von teuren Kleidern besitzen können? Hätte auch ihr Name, ihr Gesicht Millionen von Fans begeistern können?
Vielleicht, vielleicht auch nicht, dachte sie und drehte sich vor dem Spiegel hin und her. Aber ihr Leben hatte sich nun einmal anders entwickelt und ihr etwas viel Wichtigeres, viel Dauerhafteres geschenkt als Ruhm.
Schließlich hatte sich ihr Realitätssinn durchgesetzt. Sie hatte entschieden, dass es besser wäre, diese Kleider abzulehnen, als den ganzen Abend lang eine Person vorzutäuschen, die sie nicht war.
Sie zog das einzige Abendkleid an, dass sie mitgebracht hatte, ein gerade geschnittenes Kleid in Mitternachtsblau, das von einem mit Perlen besetzten Bolerojäckchen ergänzt wurde. Zwei Jahre waren vergangen, seit sie es bei Saks gekauft hatte. Getragen hatte sie es erst ein einziges Mal. Als sie ihre Ohrringe mit den tropfenförmig geschliffenen Steinen aus Bergkristall anlegte, hörte sie das Lachen ihres Sohnes. Er und CeeCee waren schon dicke Freunde und völlig vertieft in das Spiel Crazy Eights.
Julia schaute nach, ob sie alles Nötige in ihr Täschchen gesteckt hatte, schlüpfte in ein paar hübsche, aber schrecklich unbequeme Pumps, und ging hinunter.
»He, Mami.« Brandon sah sie zuerst. Sie sah so schön aus, so anders. Er war stolz auf seine hübsche Mutter. »Du siehst echt gut aus.«
»Sie sehen unwahrscheinlich aus.« CeeCee hatte neben Brandon auf dem Bauch gelegen und kniete sich jetzt hin.
»Das ist aber kein Kleid von Miss B.«
»Nein.« Selbstbewußt strich Julia über den leichten Stoff. »Ich habe mich in ihren nicht recht wohl gefühlt. Ich hoffe, dieses tut es auch.«
»Mit Sicherheit.« CeeCee nickte anerkennend. »Klassische Eleganz. Plus Sex-Appeal auf Grund Ihrer veränderten Frisur. Was kann man mehr verlangen?«
Unsichtbarkeit, dachte Julia, aber sie lächelte nur. »Es wird nicht sehr spät werden. Ich hoffe, dass ich gleich nach dem Dinner gehen kann.«
»Warum? Das ist ein ganz großes Ereignis.« CeeCee verlagerte ihr Gewicht auf die Fersen. »Alle werden da sein. Außerdem ist es für einen guten Zweck, Sie wissen schon, den Schauspieler-Fonds. Sie sollten es wirklich genießen. Ich hau mich einfach im Gästezimmer hin, wenn ich müde werde.«
Brandon mischte sich ein. »Können wir Popcorn machen?«
»Okay. Paß auf, dass ...« Sie unterbrach sich, als es an die Tür klopfte, und schaute hinüber. Paul war gekommen.
»Tu viel Butter hinein«, sagte er zu Brandon und trat ein. CeeCee ordnete sofort ihr Haar. »Hallo, Mr. Winthrop.«
»Hallo, CeeCee. Wie geht's?«
»Gut, danke.« Das Herz der Zwanzigjährigen machte einen Sprung. Er trug seinen Smoking mit einer lässigen Anmut, die sehr sexy wirkte. CeeCee fragte sich, ob es wohl eine Frau gab, die nicht davon träumte, ihm die winzige schwarze Smokingschleife aufzuziehen.
»Eve hat mir schon gesagt, dass Sie pünktlich sein würden«, sagte Paul zu Julia. Sie wirkte nervös. Ihm war bereits klar geworden, dass sie ihm so am besten gefiel.
»Ich dachte, ich würde mit Eve hinfahren«, sagte sie.
»Sie ist
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