Erinnerung Des Herzens
den Schultern. »Ja.«
Er preßte die Lippen zusammen, als er die Schublade wieder schloß. »Offenbar willst du nicht darüber sprechen. Fehlen Bänder?«
»Nein.« Dann fiel ihr etwas ein. Sie holte den Recorder aus ihrer Aktentasche und nahm irgendein Band aus der Schublade. Einen Augenblick später hörte man eine dünne, nasale Stimme ertönen.
»Meine Meinung über Eve Benedict? Eine ungeheuer begabte Schauspielerin und eine wahre Landplage.«
Julia seufzte und stellte den Recorder ab.
»Alfred Kinsky«, erklärte sie. »Ich habe ihn Montagnachmittag interviewt. Er war der Regisseur von drei früheren Filmen mit Eve.«
»Ich weiß, wer er ist«, erwiderte Paul trocken.
Sie nickte und schob die Cassette wieder in ihre Plastikhülle, behielt sie aber in der Hand. »Ich hatte Angst, dass jemand die Bänder vielleicht gelöscht haben könnte. Natürlich muss ich sie noch alle einzeln überprüfen, aber ...« Sie fuhr sich mit der Hand durchs Haar, nahm Spangen heraus. »Es hat nicht viel Sinn. Die Interviews kann ich wiederholen. Ich denke nicht«, sagte sie mehr zu sich selber, dann legte sie das Band beiseite und preßte die Finger an die Augen. »Irgend jemand ist hier eingedrungen, um zu stehlen. Ich muss Eve anrufen - und die Polizei.«
Paul hielt ihr Handgelenk fest, als sie nach dem Telefonhörer greifen wollte. »Ich rufe sie an. Beruhige dich. Gieß dir einen Brandy ein.«
Sie schüttelte den Kopf.
Paul wählte die Nummer des Hauptgebäudes. »Dann gieß mir einen ein und lass die Flasche stehen für Eve.«
Wenn sie sich auch über den Befehl ärgerte, sie hatte wenigstens etwas zu tun. Als Paul ins Wohnzimmer kam, verschloß Julia gerade die Karaffe wieder mit dem Stöpsel.
»Sie ist schon unterwegs. Hast du deine persönlichen Dinge durchgesehen?«
»Meinen Schmuck. Einige wenige Stücke, die ich von meiner Mutter geerbt habe.« Sie gab ihm ein Glas. »Es fehlt nichts.«
Während er einen Schluck Brandy nahm, beobachtete er sie. »Es ist absurd, dass du dich dafür verantwortlich fühlst.«
»Woher willst du wissen, was ich fühle?«
»Julia, ich kann die Gedanken in deinem Kopf herumwirbeln sehen. Ich bin dafür verantwortlich, sagen sie. Ich hätte es verhindern können.« Er nippte wieder an seinem Glas. »Haben deine hübschen Schultern noch nicht genug davon, die Probleme der ganzen Welt zu tragen?«
»Hör auf!«
»Oh, Julia wird mit allem allein fertig, das hatte ich fast vergessen.«
Sie drehte sich abrupt um und ging schnell in die Küche. Er hörte, wie sie leise mit Brandon redete, dann fiel die Außentür krachend ins Schloß. Sie hat den Jungen nach draußen geschickt zum Spielen, dachte er. Wie verwirrt sie auch immer sein mochte, zuerst kam die Sorge um ihren Sohn. Als Paul in die Küche kam, stand sie da und starrte aus dem Fenster.
»Falls du dir Sorgen machst um den Wert der fehlenden Sachen, ich kann dich vielleicht beruhigen. Sie sind bestimmt versichert.«
»Aber das ist nicht das eigentliche Problem, oder?«
»Nein.« Er stellte das Brandyglas ab und trat hinter sie, um ihr die verspannten Schultern zu massieren. »Das Problem ist, dass dein Bereich verletzt wurde. Dies Haus ist schließlich dein Bereich, solange du hier bist.«
»Ich mag gar nicht daran denken, dass irgend jemand hier hereinmarschieren, meine Arbeit durchwühlen, ein paar kostbare Kleinigkeiten auswählen und dann wieder gehen kann.« Sie drehte sich um. »Eve kommt.«
Eve stürmte herein, Nina folgte ihr auf dem Fuß. »Was zum Teufel bedeutet das alles?«, fragte sie.
Julia berichtete ihr so kurz und klar wie möglich, was sie festgestellt hatte.
»Hurensohn.« Das war Eves einziger Kommentar. Sie ging ins Wohnzimmer und schaute sich gründlich um. »Die Uhr habe ich verdammt gern gehabt.«
»Eve, es tut mir so leid ...«
Sie wedelte ungeduldig mit der Hand, und Julia verstummte.
»Nina, vergleichen Sie alles genau mit Ihrer Inventarliste. Paul, gieß mir um Himmels willen einen Brandy ein.«
Er war bereits dabei. Sie nahm das Glas und trank.
»Wo ist der Junge?«
»Ich habe ihn nach draußen geschickt zum Spielen.«
»Gut.« Sie nahm noch einen Schluck. »Wo haben Sie Ihr Büro eingerichtet?«
»In dem Nebenzimmer, gleich hier.«
Eve war bereits drinnen und riss die Schubladen auf, bevor Julia ein Wort sagen konnte. »So, Sie behaupten also, irgend jemand habe die Bänder durchwühlt.«
»Ich behaupte es nicht«, erwiderte Julia ruhig. »Ich weiß es.«
Leicht amüsiert
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