Erkenntnis
und berichtet von den Ereignissen der Nacht. „Ein Wechselbalg“, sagt Tallulah nachdenklich. „Die meisten von ihnen sind verbittert, wenn ihnen klar wird, dass sie eigentlich nicht in die Menschenwelt gehören. Sie fühlen sich abgelehnt und werden dann nicht selten bösartig. Manche von ihnen wandeln dann ständig zwischen den Welten. Die Menschen nennen sie dann Leprechants.
Weißt du eigentlich, warum sie nicht im Feenreich bleiben dürfen? Diese Frage hat sich mein Vater auch immer gestellt. Auch er war anfangs verbittert und nur die Liebe meiner Mutter hat verhindert, dass er bösartig wurde.“ Niamh schüttelt den Kopf.
„Nein, ich weiß es nicht. Und ich muss gestehen, dass es mich auch früher nie interessierte. Es war einfach so, dass manche Kinder in die Menschenwelt gebracht wurden. Aber ich weiß, dass es nicht stimmt, dass wir schöne und gesunde Kinder aus der Menschenwelt zu uns holen.
Im Feenreich gibt es keine Menschenkinder. Die Feenkinder kommen dorthin, wo gerade ein Kind gestorben ist. Die Menschenkinder beerdigen wir in dem Monument von Newgrange. Von dort können sich ihre Seelen in der Mitwinternacht auf den Weg in das nächste Leben machen.“
„Oh, das wusste ich auch noch nicht“, sagt Tallulah. „Ich habe mich immer gefragt, was die Feen mit den Menschenkindern machen.“
„Die meisten Menschen halten Feen für verspielt, unbekümmert und verantwortungslos. Und sie halten Banshees für böse, weil sie den Tod verkünden. Aber wir sind nicht böse. Wir verursachen den Tod ja nicht, wir verkünden ihn nur.“
Niamh klingt traurig.
„Weißt du, Kind, für Menschen ist der Tod etwas Schlimmes. Die meisten wissen einfach nicht, dass das Leben immer nur ein kurzer Abschnitt ist und ihre Seele dann weiterwandert. Das macht ihnen Angst und deshalb halten sie die Verkünder des Todes für böse.“
Tallulah gießt sich einen Tee ein und spricht dann weiter.
„Und jetzt willst du es an Ostara versuchen? Traust du Padraig?“
Niamh überlegt einen Augenblick.
„Es ist seltsam, aber ja: Ich traue ihm. Ich glaube, er ist nicht so böse, wie er sich gibt. Wenn er wirklich böse wäre, würde es ihm doch egal sein, was mit Keelin ist. Aber irgendwie hatte ich das Gefühl, er hat Mitleid mit ihr. Du sagtest vorhin „verbittert“. Das ist genau das richte Wort. Er ist nicht böse, er ist verbittert. Wenn ich ins Feenreich komme, werde ich auch versuchen herauszufinden, warum Kinder wie er in die Menschenwelt gebracht werden. Vielleicht hilft es ihm, den Grund zu kennen.“
Tallulah nickt.
„Ich glaube, meinem Vater hätte es geholfen. Das „Warum“ quält die meisten ihr ganzes Leben lang.“
Die nächsten Tage vergehen quälend langsam. Niamhs Stimmung schwankt zwischen Hoffnung und Angst. Tallulah bemüht sich, sie so gut wie möglich abzulenken.
Nach der Besichtigung hat sie das kleine Cottage in der Nachbarschaft gekauft und bezieht Niamh bei der Planung der Einrichtung mit ein.
Sie messen die Räume aus und fahren nach Limerick um Tapeten und Farben zu kaufen.
Als sie abends mit Keelin nach Hause kommen und Aidan ihre Einkäufe sieht, wird seine Miene finster.
„Niamh, ich habe dich doch gebeten in deinem Zustand nichts Schweres zu tragen. Verdammt konntet ihr die Sachen nicht einfach bezahlen und den Transport mir überlassen?“
Niamh, die ihn gerade mit einem Kuss begrüßen wollte, bleibt wie erstarrt stehen. Ihre Augen füllen sich mit Tränen, dann dreht sie sich herum und läuft weg.
„Was ist denn jetzt los?“ fragt Aidan überrascht.
Tallulah schüttelt den Kopf.
„Du hättest dich gerade selber sehen und vor allem hören sollen. Aidan, deine Frau ist schwanger und du fährst sie so an.“
„Grandma, ich weiß, dass sie schwanger ist. Deshalb soll sie ja nichts Schweres tragen!“
„Sie hat auch nichts getragen, die Angestellten des Ladens haben alles in den Kofferraum gepackt. Jetzt sieh zu, dass du sie einholst und ins Haus bringst. Sie hat sich auf einen Tee mit dir gefreut und hungrig ist sie auch.“
„Oh. Ich suche sie. Stellst du bitte schon mal das Teewasser auf?“ Tallulah nickt, und Aidan eilt davon, um Niamh zu suchen. Sie ist in Richtung See gelaufen, also folgt er ihr und ruft immer wieder ihren Namen.
Als er am See angekommen ist, schaut er sich um, kann sie aber nirgends entdecken.
Es dauert fast eine Stunde, bis er sie hinter einem Felsen zusammengekauert findet. Langsam geht er zu ihr.
„Niamh? Es tut mir leid, Sweety. Ich wollte dich nicht
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