Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition)
gelehrter Autor von drei Bänden »The Masks of God« (1959 – 64), anzusehen: vorzüglich gestaltete Diskussionen mit dem früheren Präsidentensprecher BILL MOYERS über die Transformationen des Mythos durch die Zeiten. Alles höchst informativ, solide und sympathisch präsentiert, aber letztlich unbefriedigend. Mehr als Campbell war ich an der realen Geschichte der Religionen interessiert, wollte nicht nur alle möglichen Mythen, Symbole und Riten vergleichen, sondern bei aller uneingeschränkten Offenheit für andere Religionen zugleich meinen eigenen (christlichen) Standpunkt zum Ausdruck bringen. Und lieber als massenhaft fremdes Filmmaterial einspielen wollte ich selber Filme mit einer Crew wo immer möglich vor Ort drehen.
Einige Jahre später, kurz nach dem Parlament der Weltreligionen, am 11. September 1993, erzählte ich diese Geschichte im Haus des damaligen Fernsehdirektors des Süddeutschen Rundfunks, Dr. HANS HEINER BOELTE . Der erklärte spontan: »Das machen wir!«. »Wir«, ein öffentlicher und nicht irgendein Privatsender. Dem damaligen Süddeutschen Rundfunk (SDR, heute SWR) bin ich äußerst dankbar, dass er die schließlich sechs Millionen DM an Kosten für eine Originalproduktion nicht scheute, bei der ein ganzes Fernsehteam viele Wochen in den verschiedenen Kontinenten zu filmen hatte. Mit Ausnahme von Mekka und Medina lauter Originalaufnahmen vor Ort und überall meine persönlichen Statements. Erfreulicherweise kommt es schon frühzeitig zu einer Zusammenarbeit zwischen SDR und der Schweizerischen Fernsehanstalt SRG, vertreten von Dr. ERWIN KOLLER .
Bis auf den heutigen Tag empfinde ich tiefe Dankbarkeit gegenüber den Verantwortlichen, die mir diese einzigartige Chance geboten haben. Nicht als Reiseschriftsteller oder Fernsehjournalist sollte ich mit einem Filmteam durch die Welt reisen, sondern als Theologe, Philosoph und Religionswissenschaftler die Religionen in den verschiedenen Regionen in Wort und Bild zu erfassen versuchen. Welche Chance, aber auch welche Mühen.
Eine Riesenaufgabe
Die Realisation von Kriminalfilmen, oft als Serien produziert, stellt andere Anforderungen als die Realisation der von mir geplanten Filme über Weltreligionen. Sie bedeuteten aufgrund ihrer Konzeption eine besondere Herausforderung an die beteiligte Crew. Bei einem Krimi schreibt der Autor seine Story, und es ist dann der Regisseur, der daraus sein »Kunstwerk« macht.
Ich aber wollte für die sieben verschiedenen Religionen ein Gesamtkonzept verwirklichen, das sich auf meine zum Teil vielhundertseitigen Studien gründete, die ich – im Dialog mit entsprechenden Fachgelehrten oder allein – veröffentlicht hatte. Diese bildeten für mich die Grundlage für ein erstes Drehbuch, und ich nahm an, dass Regisseur und Kameramann dieses Konzept genau studieren würden. Aber das war nur bedingt der Fall. Denn der Regisseur ging davon aus, dass (wie bei einem Krimi) der Autor nur eine Vorlage für den Film liefern würde und der Regisseur mit dem Kameramann der eigentliche »Realisator« sei, der den Film nach seinem Gusto gestalten könne. In diesen unterschiedlichen Grundeinstellungen aber lag erhebliches Konfliktpotential, wie ich bald merken sollte.
Der ersteRegisseur, ein origineller Schweizer, versteifte sich auf die These, er könne keine Gebäude, etwa das Abrahamgrab in Hebron, filmen, er sei nur an Menschen interessiert, etwa an den dieses Grab bewachenden israelischen Soldaten und muslimischen Besuchern. Als dem Fernsehdirektor von dieser Diskussion berichtet wurde, entschied er kurzerhand, dieser Regisseur komme nicht infrage, da seien die Konflikte vorprogrammiert: Ich sei am besten mein eigener Regisseur, der wüsste, was zu drehen sei. Dies brachte er freilich nicht mit derselben Deutlichkeit dem zuständigen Redakteur UWE BORK gegenüber zum Ausdruck und den beiden in der Folge eingestellten hoch qualifizierten Regisseuren: WOLFGANG ROMMEL für Stammesreligionen, Hinduismus, chinesische Religion und Islam sowie DIETRICH LEHMSTEDT für Buddhismus, Judentum und Christentum. Sie mussten sich gleichfalls daran gewöhnen, dass ich nicht lediglich zu ihren Bildsequenzen Kommentare zu verfassen gedachte, sondern dass sie – mit weiten Spielräumen – die Bildsequenzen für mein Drehbuch aufzunehmen hatten. Natürlich war ich stets auf Zusammenarbeit aus und war dankbar für jeden guten Vorschlag. So beugte ich mich bisweilen auch den Wünschen des eigenwilligen Kameramanns OTTMAR
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