Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition)
diskutierten. Prof. KARL-JOSEF KUSCHEL war zwar bei allen Planungen in Tübingen dabei, konnte allerdings aus beruflichen und familiären Gründen auf die Drehreisen nicht mitkommen. Aber Stephan Schlensog war nun als Photograph auch für die Bilddokumentation des Projekts in einem Buch zuständig; die allermeisten außerordentlich eindrucksvollen Photos sind ihm zu verdanken. Er wurde schließlich verantwortlich für die hervorragende Gestaltung dieses Bandes in Layout und Satz: »Spurensuche. Die Weltreligionen auf dem Weg« (München 1999).
Aber auch meine Aufgabe war mit der Drehreise noch keineswegs erfüllt. Im Stuttgarter Studio wurde nun vom Regisseur und vom Cutter (Hans-Joachim Stelse) eine Rohfassung des Films hergestellt, die wir eingehend besprachen; schließlich eine Reinfassung in etwa auf Sendelänge, die auch wieder begutachtet wurde. Erst dann wurde von mir in engster Zusammenarbeit mit Stephan Schlensog der Sprechtext erstellt, der buchstäblich Sekunde um Sekunde den Bildern angepasst werden musste, was für jeden einzelnen Film bis zu fünf Arbeitstage kostete. Dann erfolgte im Studio die Sprachaufnahme, bei der ich auch gerne Vorschläge des Redakteurs, des Regisseurs und des Cutters berücksichtigte. Erst später konnte aufgrund des Sprechtextes zum Film die Buchfassung erstellt werden, in welche die gesamten Materialien der ursprünglichen Langfassung eingearbeitet wurden.
Nun werden sich manche im Rückblick auf mein »amerikanisches Jahrzehnt« fragen, ob denn bei all den Vorträgen, Vorlesungen und Reisen überhaupt noch Zeit blieb für wissenschaftliche Publikationen. Meine Antwort: Durchaus, ich sah mich durch die Ereignisse gerade zu neuen Überlegungen herausgefordert.
Theologie im Aufbruch
Lange und mühsam war mein theologischer Denkweg, nicht viele Theologen sind ihn mitgegangen. Einfacher ist es in der Tat, sich in einem vorbereiteten Sessel einzurichten und sich auf eine historische oder systematische Spezialfrage zu konzentrieren oder auf irgendeinen unserer großen theologischen Vorfahren.
Ich hingegen musste meinen Weg durch die Auseinandersetzungen mit verschiedenen christlichen und nichtchristlichen Traditionen gehen, um zu einer wahrhaft ökumenischen Theologie zu gelangen, wie schon in der ersten Vorlesung nach dem Missioentzug angekündigt: ein Weg einerseits »ad intra«, nach innen auf die christlichen Kirchen konzentriert, andererseits »ad extra«, nach außen auf die Weltreligionen ausgerichtet.
Eine ständige Reflexion auf die Verstehensprinzipien, die »Hermeneutik« christlicher Theologie war mir in der Praxis selbstverständlich. Doch hat mich rein abstraktes Reflektieren über eine gelehrte Methoden- und Verstehenslehre, eben eine wissenschaftliche Hermeneutik, so wichtig sie auch sein mag, nie sonderlich interessiert. Zu lange und zu komplex waren oft die Vorüberlegungen, bis man zu den theologischen Inhalten vorstieß. »Meine« Hermeneutik – bei allen Kontroversen letztlich doch um innerkatholischen und ökumenischen Konsens bemüht – war vielmehr hineinverwoben in den theologischen Arbeitsprozess und hatte sich immer neu am konkreten theologisch-philosophischen Material theoretisch wie praktisch zu bewähren.
Schließlich aber wollte ich doch meine theologische Methode dokumentieren und rechtfertigen, und so habe ich eine Art theologische Hermeneutik dargelegt unter dem Titel »Theologie im Aufbruch« (1987). Im ersten Teil wurden die »klassischen Konflikte« seit der Reformationszeit aufgearbeitet (Schrift und Tradition, Kirche und Dogma), im zweiten Teil die Prinzipien und Paradigmen christlicher Theologie aufgezeigt und im dritten Fragen im Horizont der Weltreligionen behandelt und dabei eine erste Paradigmenanalyse des Buddhismus skizziert. So bietet dieses Buch, wie im Untertitel vermerkt, »eine ökumenische Grundlegung« in einer Zeit des Übergangs von der Moderne zu einer – freilich nicht erst in unseren Tagen einsetzenden – Nach-Moderne.
Nach den für meinen Lebensweg bedrohlichen Auseinandersetzungen mit Rom, die im Tiefsten in einem anderen Paradigma und einer anderen Verhältnisbestimmung von Exegese und Dogmatik gründen, empfinde ich es als besonderes Zeichen der Ermutigung, dass mir 1984/85 drei renommierte Universitäten die Ehrendoktorwürde verleihen: die University of Cambridge/England (D.D.), die University of Michigan/USA (L.H.D.) und die University of Toronto/Kanada (LL.D.). Ihnen widme ich dieses Buch, das 1988
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