Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition)
OXTOBY , und ich erinnere mich noch besonders an die wunderbare Fahrt zu den Niagara Falls und anschließend den malerischen Niagara River entlang zurück nach Toronto. Von dieser zentral gelegenen Stadt aus mit ihren glänzenden Flugverbindungen über den ganzen Kontinent kann ich im Zusammenhang meiner Vorträge das riesige Kanada mit seinen landschaftlichen Schönheiten kennenlernen. Es geht zuerst in den Süden der USA: Brite University in Fort Worth/Dallas, Rice University/Houston und Greenville/South Carolina (2.–6. Oktober 1985). Dann in den Westen Kanadas: Regina/Saskatchewan und an die Pazifikküste nach Vancouver/British Columbia, auf dem Rückweg nach Calgary und zusammen mit meiner Tübinger Sekretärin, Eleonore Henn, die mich hier besucht, ein schöner Ausflug in die Rocky Mountains zum Lake Louise (15.–20. Oktober 1985). Später nach St. Louis/Missouri und Portland/Oregon (23.–26. Oktober 1985). Und dann auch nach Osten bis an die Atlantikküste: nach Halifax und von dort auf die Insel Cape Breton (6.–8. November). Schließlich geht es noch einmal in den Süden der Vereinigten Staaten: Albuquerque/New Mexico, Phoenix und Tucson/Arizona. Aber auch von den Universitäten in der Nähe erhalte ich Einladungen: Hamilton, York University, Scarborough und natürlich Toronto selbst.
In den beiden Semestern in Houston/Texas im Herbst 1987 und im Frühjahr 1989 fühlte ich mich besonders wohl an der kleinen elitären Rice University, wo sich Prof. NIELS NIELSEN und seine Frau Erika um alles kümmerten. Mit ihnen machte ich nicht nur einen Ausflug in die Hafenstadt Galveston am Golf von Mexiko, sondern auch an einem Wochenende sogar ins ferne Puerto Rico. Von Nordamerika aus konnte ich auch leicht die Weltreise nach Westen unternehmen, die mir so entscheidend dazu verholfen hat, die asiatischen Regionen, Kulturen und Religionen besser kennenzulernen. In meinen Semestern an der Rice University in Houston/Texas konnte ich aber auch ein anderes großes Projekt planen.
Einzigartige Chance: »Spurensuche«
In den 1980er-Jahren, meinem »amerikanischen Jahrzehnt«, begann auch ein wissenschaftlich-publizistisches Unternehmen, das erst im nächsten Jahrzehnt realisiert werden konnte. Seit ich den genialen Musiker und Humanisten Sir YEHUDI MENUHIN in einer achtteiligen Fernsehserie der Canadian Broadcasting Corporation (CBC) mit dem Titel »The Music of Man« (1975) erlebt hatte, wollte mir der Gedanke nicht mehr aus dem Kopf: Wie Menuhin in begeisternder Weise durch das Reich der Musik zu führen verstand, so ähnlich müsste man auch versuchen, durch das Reich der Religionen zu führen.
Ungleich schwieriger, das war mir klar, würde es zweifellos werden, zuerst das Reich der Religionen einigermaßen zu verstehen und es auch noch filmisch darzustellen. Yehudi Menuhin brauchte ja nur seine Violine oder seinen Taktstock in die Hand zu nehmen und war so fähig, selbst Unwissende und vielleicht Unmusikalische für die faszinierende Welt der Musik zu gewinnen. Aber wie sollte ich Ohr und Herz öffnen können für die noch viel geheimnisvollere Welt der Religionen? Dafür, dessen war ich mir bewusst, musste ich noch unendlich viel lernen, lesen, reisen, Gespräche und Begegnungen, religiöse Symbole, Mythen und Rituale in aller Welt erleben. Ohne das nötige Erfahrungswissen bleibt alles Buchwissen gerade über Religion abstrakt.
Nun hatte ich ja schon im Sommersemester 1982, wie berichtet, an der Universität Tübingen im Studium generale neuartige Dialogvorlesungen mit Fachgelehrten des Islam, des Hinduismus, Buddhismus und später auch der chinesischen Religion gehalten und ließ mich 1984 auf eine Anfrage der BBC ein: Als Autor und Präsentator sollte ich eine große Fernseh-Dokumentationsserie über einen zeitgemäßen christlichen Glauben gestalten. Ein solches Angebot gerade der BBC aus Zeitgründen negativ zu beantworten schien mir unvertretbar. Und so arbeitete ich ein Grundkonzept für die zuständige Redaktion aus, das deren Zustimmung fand, aber dann schließlich auf höchster Ebene – wegen der vorauszusehenden enormen Kosten – abgelehnt wurde. Letztlich zu meinem Glück. Denn wie hätte ich ein solches gewaltiges TV-Projekt neben meinen Tübinger Lehrverpflichtungen vollenden können?
In meinem Gastsemester 1987 an der kleinen, aber feinen Rice University in Houston/Texas nützte ich die Zeit, um mir einige Sendungen der berühmten Fernsehserie des fernsehgewandten JOSEPH CAMPBELL ,
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