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Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition)

Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition)

Titel: Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Küng
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(Sunniten und Schiiten); zu Gottesbild und islamischer Mystik, Menschenbild und Gesellschaft; zu Islam und den anderen Religionen, zur Stellung Jesu im Koran. Josef van Ess und ich dürfen für uns in Anspruch nehmen, keine »heißen« Fragen ausgespart zu haben. In allen meinen Antworten strebe ich ein Doppeltes an: in erster Linie christliche Selbstkritik im Spiegel des Islam, dann aber auch Kritik am Islam im Licht der christlichen Botschaft, wobei ich darauf bedacht bin, stets nur Gleiches mit Gleichem zu vergleichen.
    Konvergenzen und Divergenzen sind deutlich geworden. Für manche sind meine Antworten noch zu »christlich«, für andere zu wenig »christlich«, für die einen zu offen, zu nachgiebig, pluralistisch, für andere zu eng, zu abgegrenzt, zu selbstbezogen. Sie zeichnen sich jedenfalls vor anderen Beiträgen zum Dialog dadurch aus, dass sie nicht die Schuldogmatik der Normaltheologie widerspiegeln, sondern in einer zeitgemäßen historisch-kritischen Exegese und Dogmengeschichte gründen, die von den christlichen Dogmatikern zumeist vernachlässigt werden – alles im Rahmen eines zeitgenössischen Paradigmas von Theologie. Aber zugleich tritt mir mehr und mehr der weltpolitische Horizont des interreligiösen Dialogs vor Augen.
    Dialog statt Clash
    »Kein Weltfrieden ohne Religionsfrieden!« So überschreibe ich schon mein Schlusswort zu unseren Dialogvorlesungen von 1982, die für mich so etwas wie eine Zwischenbilanz meiner bisherigen Dialogbemühungen darstellen. Sie bilden aber zugleich die Basis für meine praktischen Dialoge in diesem Jahrzehnt.
    Ich habe es stets bedauert, dass SAMUEL HUNTINGTON – ich hatte ihn nur einmal im Harvard Faculty Club kurz begrüßen können und war später mit ihm auf einem Podium am Weltwirtschaftsforum in Davos zusammen – die neueste Entwicklung nicht zur Kenntnis genommen hat. Zehn Jahre nach der Veröffentlichung meiner Dialogvorlesungen hat er zwar als erster prominenter Politikwissenschaftler die religiöse Dimension der Weltkonflikte wahrgenommen, doch die Religionen und besonders den Islam nur unter dem Gesichtspunkt des »Clash«, des »Zusammenpralls«, beschrieben. Sein später viel zitierter Artikel in der Zeitschrift »Foreign Affairs« war anfangs klugerweise mit einem Fragezeichen versehen: »A Clash of Civilizations?« (1993). Doch nachher in seinem Buch »The Clash of Civilizations and the Remaking of World Order« (1996) als fraglose These propagiert, hat die »Clash«-Behauptung amerikanischen und anderen Kriegstreibern zur Rechtfertigung für ihre aggressive Politik im Golf- und Afghanistankrieg gedient und wurde dadurch zu einer »Selffulfilling Prophecy«. Dabei war doch schon zehn Jahre früher klar – und ich weise hin auf den Konflikt zwischen Indien und Pakistan, den Krieg zwischen Irak und Iran und natürlich den Nahostkonflikt mit seinen bereits fünf zerstörerischen Kriegen –: Ohne Frieden zwischen den Religionen wird es keinen Frieden zwischen den Nationen geben!
    Doch nicht nur die Politiker und Militärs, sondern auch die Religionsführer haben eine Mitverantwortung für den Frieden. Denn die fanatischsten, grausamsten politischen Kämpfe sind ja die von den Religionen eingefärbten, inspirierten und legitimierten. Oft sind es Konflikte in ein und derselben Religion, in ein und demselben Kulturkreis. Die Religionen und ihre Führer können gewiss nicht alle Konflikte dieser Welt lösen und auch nur selten verhindern; diese haben ja zumeist wirtschaftliche, politische und militärische Ursachen. Aber die Religionen können das Maß an Feindschaft, Hass und Unversöhnlichkeit verringern, indem sie erstens ganz konkret für Verständigung und Versöhnung zwischen den verfeindeten Völkern eintreten (Beispiel: die Evangelische Kirche in Deutschland für die Versöhnung mit Polen) und indem sie zweitens zumindest diejenigen Konflikte aus der Welt schaffen, deren Ursachen sie selber sind und deren Brisanz sie mitverschuldet haben (Beispiel: Katholiken und Protestanten in Nordirland und in den deutschsprachigen Ländern). Nicht nur gegen den Krieg und für den Frieden reden sollen die Religionen, sondern auch für den Frieden handeln.
    Schon ein Jahrzehnt bevor das Wort »Globalisierung« populär wird, steht für mich fest: Friedensbedrohung und Friedensregulierung haben längst die Dimension regionaler Einzelkonflikte gesprengt und sind Probleme globaler Weltinnenpolitik geworden. Mit anderen Worten: Frieden in der Ökumene (der

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