Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition)
Sri Lanka ist ja auch der wichtigste Kanon der Schriften dieses Theravada-Buddhismus in Pali, einer mittelindischen Sprache, aufgeschrieben worden. Von der Hauptstadt Colombo ließ ich mich damals im Auto zum großen buddhistischen Wallfahrtsort Kandy, früher die Hauptstadt des singhalesischen Königreichs, hinauffahren. Hier wird im Hauptheiligtum als kostbare Reliquie ein Zahn des Buddha verehrt. Und ich habe mich gefragt: Wie konnte denn aus der einfachen Religion des Inders Buddha Gautama, der alles Äußere als Maya, als unwirklichen Schein, betrachtete, eine so starke staatstragende Religion mit einer machtvollen Mönchshierarchie werden, die zunehmend in einen militärischen Konflikt mit der tamilischen Minderheit (Hindus und Christen) gerät?
1981, auf meiner dritten Reise um die Welt, bin ich schon besser auf den Buddhismus vorbereitet, einerseits durch persönliche Studien, andererseits durch eine Tagung des Arbeitskreises unseres Instituts für Ökumenische Forschung über »Buddhismus und Christentum« (25.–27. 5. 1981) in Marienthal (bei Geisenheim). Unser Mentor war dabei der aus der Schweiz stammende, aber in Mainz lehrende Buddhismus-Kenner Professor WERNER KÖHLER . Den ersten ernsthaften Dialog mit einem Buddhisten aber führe ich erst im kalifornischen Claremont im Dezember desselben Jahres: mit dem japanischen Zen-Buddhisten MASAO ABE aus Kyoto, der in Claremont mit seiner jungen Frau als Professor lebte. Er ist der Dialogpartner des führenden amerikanischen Prozesstheologen JOHN COBB , der einen Teil seines Lebens in Ostasien verbracht und sich intensiver als die meisten Theologen mit dem Buddhismus auseinandergesetzt hatte. So kann ich in diesen Gesprächen an dem aufstrebenden Claremont College von beiden sehr viel lernen.
Mein eigener Zugang zum buddhistisch-christlichen Dialog ist dabei freilich weniger der späte Zen-Buddhismus, sondern – aufgrund meiner historisch-kritischen Schulung – der historische BUDDHA GAUTAMA , den ich mit dem historischen Jesus von Nazaret vergleichen möchte und nicht mit einer späteren dogmatischen Spekulation. Mich beschäftigt ja besonders die historische Entwicklung des Buddhismus aus seinen Anfängen mit seinen höchst unterschiedlichen Gestalten.
Eine christlich-buddhistische Feier
Eine außergewöhnliche Erfahrung bei einem hochkarätigen christlich-buddhistischen Kolloquium auf Hawaii im Januar 1982 hat sich mir für immer eingeprägt. Das Kolloquium hatte mit nüchternen akademischen Sitzungen begonnen. Am Samstagabend kommen zwei christliche Teilnehmer auf mich zu und fragen mich, ob ich, der einzige katholische Priester in der Runde, nicht am nächsten Tag für sie eine Eucharistiefeier halten könne. Ich sage zu, und ich erwarte, dass daran Christen aus den verschiedensten Konfessionen teilnehmen würden. Aber als die Buddhisten das hören, fragen sie mich, ob ich etwas dagegen hätte, wenn sie auch teilnehmen würden. Nein, sage ich, selbstverständlich nicht.
Aber selbstverständlich war ja dies gerade nicht. Ich hatte nur ein englisches Neues Testament sowie Brot und Wein zur Verfügung, aber keine liturgischen Bücher, Geräte und Gewänder, schon von daher muss ich die ganze Feier auf das Wesentliche konzentrieren . Die Anwesenheit hochgebildeter Buddhisten stellt mich vor eine große Herausforderung, der ich mich leicht hätte entziehen können dadurch, dass ich eine traditionelle lateinische Messe gehalten hätte, bei der die Protestanten wenig und die Buddhisten nichts verstanden hätten. Aber dann wären sie etwa so verständnislos dabei gewesen wie ich bei der buddhistischen Feuerzeremonie am Vorabend, bei der eine lange Reihe mir unverständlicher buddhistischer Sutren rezitiert wurde.
Und so beginne ich diese christliche Eucharistiefeier eher buddhistisch mit Schweigeminuten und formuliere dann das »Kyrie eleison – Herr, erbarme dich« so, dass es auch für Buddhisten verständlich ist, ebenso die folgenden Gebete. Als Schriftlesung nehme ich die oft vernachlässigte Perikope, in der es gerade nicht heißt: »Wer nicht für mich ist, der ist gegen mich!« (Mt 12,30; Lk 11,23), sondern umgekehrt: »Wer nicht gegen uns ist, ist für uns!« (Mk 9,40; Lk 9,50). Das sagte Jesus seinen intoleranten Jüngern, die eine Bestrafung eines Dämonenaustreibers in seinem Namen verlangten, nur weil er nicht zur Jüngergemeinde gehörte. Im Anschluss an die Lesung sage ich in einer schlichten Ansprache Wesentliches für das
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