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Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition)

Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition)

Titel: Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Küng
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Übungen, diese Selbstvergessenheit und das innere Loslassen zu erlernen, ist das Bogenschießen : absichtslos verweilen, bis »es« schießt. Nicht von ungefähr bilden zwei Bogenschützen den beeindruckenden Anfang und Schluss unseres Films über den Buddhismus.
    Das Zweite Vatikanische Konzil hat die große spirituelle Kraft des Buddhismus anerkannt: »In den verschiedenen Formen des Buddhismus wird das radikale Ungenügen der veränderlichen Welt anerkannt und ein Weg gelehrt, auf dem die Menschen mit frommem und vertrauendem Sinn entweder den Zustand vollkommener Befreiung zu erreichen oder – sei es durch eigene Bemühung, sei es vermittels höherer Hilfe – zur höchsten Erleuchtung zu gelangen vermögen.«
    Am Ende der Konzilserklärung heißt es schließlich von den Weltreligionen ganz allgemein : »So sind auch die übrigen in der ganzen Welt verbreiteten Religionen bemüht, der Unruhe des menschlichen Herzens auf verschiedene Weise zu begegnen, indem sie Wege weisen: Lehren und Lebensregeln sowie auch heilige Riten. Die katholische Kirche lehnt nichts von alledem ab, was in diesen Religionen wahr und heilig ist.« 7 Dies genau ist auch mein Standpunkt.

IX. Meine Welt der Religionen Chinas
    »Umkehrpunkte zum Neuen und glitzernde Sterne
    Schmücken gerade das unverstellte Firmament.
    Es sind 5000 Jahre alte Piktogramme,
    Es sind die aufmerksam blickenden Augen zukünftiger Menschen.«
    Der Lyriker Bei Dao, geboren im chinesischen Schicksalsjahr 1949 in Peking, ein Angehöriger der »verlorenen Generation« der Kulturrevolution, wendet sich in seinem »Unglaubensbekenntnis« am Ende der chinesischen Tradition zu.
    Der Renmin University of China verdanke ich es, dass ich im Herbst 2009 im idealen chinesischen Alter von neun mal neun Jahren abermals in Peking sein kann; weißhaarig zwar wie der Weise Laozi, aber nicht wie er, der Legende nach, die 81 Jahre im Mutterleib verborgen! Wie schön, dass die Hochschätzung des Alters und seiner Weisheit eine Konstante der chinesischen Geschichte geblieben ist. So freue ich mich außerordentlich, dass ich eingeladen bin, am 30. Oktober 2009 einen Vortrag zur Eröffnung des Zweiten Internationalen Sinologenkongresses zu halten, nachdem ich aus Termingründen am ersten nicht habe teilnehmen können.
    Meine Einleitung: »Ich beanspruche in keiner Weise, ein Sinologe zu sein, der Sie über traditionelle chinesische Ethik belehren will. Andererseits bin ich auch kein Missionar, der Sie zu einer alten oder neuen Religion zu bekehren versucht. Ich spreche zu Ihnen schlicht als ›scholar‹, ›Gelehrter‹, als ein christlicher Philosoph und Theologe, der die Geschichte der Kultur Chinas in Büchern und vor Ort studierte und bewundert, seit er 1964 in Hongkong – es sind jetzt fast fünf Jahrzehnte her – zum ersten Mal chinesischen Boden betrat, und der seit vielen Jahren ein Programm vertritt, das einen Dialog der Religionen und ein globales Ethos fordert. Erfreulicherweise hat es gerade in China ein sehr positives Echo ausgelöst.«
    Erfahrungen mit lebendiger chinesischer Religiosität
    »Das kommt mir Spanisch vor«, sagt man im Volksmund, wenn man auf etwas völlig Fremdes, Fernes, Unverständliches stößt. Analog spricht man von »Fachchinesisch« und meint damit eine Ausdrucksweise oder ein Fachwissen, das für Außenstehende fremd und unverständlich klingt und nur wenigen Experten zugänglich ist.
    Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein galt China – von chinesischen Kunstgegenständen, Porzellangeschirr, Vasen und anderen »Chinoiserien« abgesehen – noch immer als eine ferne, fremde Welt, die nur wenigen Spezialisten bekannt oder gar vertraut war. Von den einen wurde China, verglichen mit dem sich rasch modernisierenden Japan, als politisch-kulturell dekadent abgetan, von anderen – wegen der riesigen Bevölkerungszahl von so vielen Hunderten Millionen Menschen – als »Gelbe Gefahr« verunglimpft. Eine irrationale China-Phobie, die vor dem Hintergrund der wachsenden Wirtschaftsmacht Chinas und der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise auch in unseren Tagen ein konjunkturelles Hoch erlebt.
    An meinem Gymnasium in Luzern war ich im Philosophieunterricht immerhin in Chinas berühmteste, Laozi zugeschriebene, Weisheitsschrift, »Daodejing« (früher Tao-te-king), eingeführt worden, den Klassiker des chinesischen Daoismus. Aber China spielte in der ganzen ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts weltpolitisch keine Rolle: seine Ökonomie ausgebeutet,

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