Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition)
des Weltethos habe ich ebenso berichtet wie von der Auseinandersetzung mit dem Kritischen Rationalismus (Hans Albert) und mit der Transzendentalpragmatik (Karl-Otto Apel). Konstruktiv aber lässt sich vor allem der politische Philosoph Prof. HANS-MARTIN SCHÖNHERR-MANN (Universität München) auf das Projekt Weltethos ein. Ich bin ihm dankbar, dass er aufgrund seiner souveränen Kenntnis der allerneuesten Philosophiegeschichte fähig ist, in seinem Buch »Miteinander leben lernen. Die Philosophie und der Kampf der Kulturen« (München 2008) anhand der bedeutendsten Philosophen des 20. Jahrhunderts die philosophischen Voraussetzungen für das Weltethos konkret zu erörtern. Verschiedene philosophische Zugänge zum Weltethos entwickelt Schönherr-Mann dann in einem weiteren Werk »Globale Normen und individuelles Handeln. Die Idee des Weltethos aus emanzipatorischer Perspektive« (Würzburg 2010).
Anregend wirkt die Weltethos-Idee auch auf die bildenden Künste . Unübersehbar sind für mich die vielen Versuche – einige davon wurden mir zugeschickt –, insbesondere den Frieden zwischen den Religionen bildhaft darzustellen. Hervorragend sind die Werke von EMIL CIOCOIU, einem rumänisch-deutschen Maler mit internationalem Ruf: Ein Bildausschnitt schmückt das von mir herausgegebene Taschenbuch »Dokumentation zum Weltethos«. Sein Bild »Verständigung«, in Öl auf Leinwand (200 x 300 cm), stellt er der Stiftung Weltethos in schönen Abdrucken zur Verfügung, auf der Rückseite unsere Programmworte »Kein Überleben ohne Weltethos. Kein Weltfriede ohne Religionsfriede. Kein Religionsfriede ohne Religionsdialog« in 15 Sprachen. Eingeladen von der »Aachener Zeitung« halte ich in Aachen beim Ludwig Forum für Internationale Kunst 2005 im Rahmen einer Ciocoiu-Ausstellung einen Vortrag über »Die drei abrahamischen Religionen«.
Seit vielen Jahren bin ich befreundet mit HANS ERNI und seiner Frau DORIS . Er ist der bedeutendste und erfolgreichste Maler, Grafiker und Bildhauer der Schweiz. Geboren 1909, lebt er, mit 104 Jahren noch immer tätig, in seiner Heimatstadt Luzern. Er wollte meinen Rat hören zu den Entwürfen für sein riesiges Wandbild »Panta rhei« im Auditorium des neuen Hans-Erni-Museums. Exakt gezeichnet und originell gestaltet, sind hier die Geistesgrößen von den Vorsokratikern bis Albert Einstein überzeugend dargestellt; ich habe ihn nur auf das Fehlen Martin Luthers aufmerksam gemacht. Den universal und humanistisch gesinnten Meister fasziniert das Projekt Weltethos. So werde ich im Jahr 1996 eingeladen, im Schweizerischen Verkehrshaus am Vierwaldstättersee einen Vortrag über »Weltethos und Erziehung« zu halten, der dann im Verlag der Hans-Erni-Stiftung, mit prächtigen Illustrationen des Künstlers versehen, publiziert wird. Seither besuchen wir uns gegenseitig und diskutieren intensiv Probleme der Kunst und der Zeit. An ihn erinnert mich im Seehaus ständig sein Porträt von mir, das erstaunlicherweise Züge von ihm selber trägt.
Auch von manchen bildhauerischen Versuchen, vor allem mit den Symbolen der großen Religionen, wäre zu berichten. Ich muss mich begnügen mit der Erwähnung zweier mir geschenkter ausgezeichneter, sehr unterschiedlicher Bronzeporträts: Zum einen meine Büste, geschaffen von dem großen französischen Bildhauer SERGE MANGIN. Sie wurde mir geschenkt von der Udo-Keller-Stiftung »Forum Humanum«, der ich ein paar Jahre als Kuratoriumsvorsitzender diente, und steht in meinem Garten als Zeichen, dass hier auch nach meinem Ableben der Hauptsitz der Stiftung Weltethos bleibt. Meine andere Büste stammt von dem landesweit geschätzten Luzerner Bildhauer ROLF BREM , meinem Klassenkameraden am Gymnasium. Sie ist ein Auftragswerk meiner Heimatstadt Sursee und steht in der dortigen Stadtbibliothek.
Weltethos und Musik: die Chorsymphonie »Weltethos«
Weltethos soll nicht nur den Kopf ansprechen, sondern auch das Herz, die Gefühle: Dafür eignet sich die Musik als spirituellste aller Künste in besonderer Weise. Nach allen Vorarbeiten im Bereich Religion und Musik, wie ich sie in Kapitel III berichtet habe, drängt sich mir die Frage auf: Ließe sich das Weltethos nicht auch direkt mit der Musik in Verbindung bringen? Wie können ethische Maßstäbe musikalisch ausgedrückt werden? Wie gar in einer eigenen Komposition? Eine solche Komposition soll das gemeinsame ethische Erbe der Menschheit zum Bewusstsein und zur Erfahrung bringen, wie es sich auf den
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