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Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition)

Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition)

Titel: Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Küng
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damalige Rektor LUDWIG RAISER gewaltsame Szenen erlebt habe. Auf meine Frage, ob er nicht auch mit der Studentengemeinde Probleme gehabt habe, sagt er Ja, aber das sei nicht so schlimm gewesen. Auch reden wir von einigen anderen Tübinger »Fällen« in jener Zeit und sprechen schließlich auch über die in Italien gerade brennende Debatte über die Homosexualität: Ich werbe dafür, dass man die zivile Registrierung homosexueller Partnerschaften anerkennen solle, wie sie auch die Regierung des Reformkatholiken ROMANO PRODI anstrebt. Er aber meint, so geriete man auf die schiefe Ebene; das bestehende Zivilrecht würde ausreichen für solche Verträge und man sollte die homosexuellen Partnerschaften nicht immer mehr den ehelichen angleichen. In der Folge zieht denn auch der Vatikan den frivolen SILVIO BERLUSCONI , der theoretisch für die römisch-katholische Sexualmoral eintritt und andererseits Sexpartys auch mit Minderjährigen anbietet, dem ernsthaften und integren Katholiken Romano Prodi als Regierungschef Italiens vor.
    Da am Samstagabend keine Sekretärin mehr da ist, schlage ich vor, dass Benedikt allein das Kommuniqué formulieren und es am Montag nach Tübingen faxen lassen möge; ich würde den Text dann umgehend durchsehen. Allerdings möge sich der vatikanische Pressesprecher JOAQUÍN NAVARRO-VALLS (vom Opus Dei) nicht einmischen, was Papst und Sekretär verständnisvoll lachend bestätigen.
    Der Abschied ist herzlich. Gute vier Stunden sind inzwischen vergangen. Wir haben beide den Eindruck, dass eine Kommunikationsebene zustande gekommen ist, die auch in Zukunft Bestand haben könnte. Der Papst wünscht mir beim Abschied alles Gute, und ich danke und wünsche ihm meinerseits Gottes Segen. Der Sekretär begleitet mich im Lift nach unten. Ich sage ihm, er könne jederzeit bei mir anrufen, wenn er irgendeine Information oder Hilfe brauche oder irgendetwas der Erklärung bedürftig sei. Ja, er wolle diesen Kommunikationsfaden aufrechterhalten. Ich verabschiede mich von den Gardisten, und der Major der Schweizergarde begleitet mich bis zum Hotel und erzählt mir noch seine ganze Lebensgeschichte. Ich schlafe friedlich ein, habe aber doch noch etwas Mühe, alles zu verarbeiten.
    Das gemeinsame Kommuniqué
    Frohgemut fliege ich am Sonntag, dem 25.   September, nach Stuttgart zurück. Das Gespräch und die ganze Begegnung haben meine Erwartungen mehr als erfüllt. Das drücke ich in meinem Dankschreiben vom folgenden Tag aus:
    »In aller Kürze, aber auch in aller Herzlichkeit, möchte ich mich bei Ihnen bedanken für die für mich unvergeßlichen Stunden, die ich mit Ihnen in Castel Gandolfo verbringen durfte. Daß Sie mich so liebenswürdig empfangen und mir so viel Zeit gewidmet haben, war schon eine besondere Auszeichnung. Daß dann aber auch das Gespräch auf hohem Niveau in so konstruktiver und freundschaftlicher Weise geführt werden konnte, war besonders erfreulich. Und daß schließlich das Ganze noch in einem kleinen ›Symposion‹ mit Ihrem von mir hochgeschätzten Privatsekretär endete, bei dem wir alle möglichen Erinnerungen austauschen konnten, hat die Begegnung noch würdig abgerundet.
    In der Beilage lasse ich Ihnen einige Materialien zukommen, über die wir gesprochen haben.
    So danke ich Ihnen herzlich und sende Ihnen freundliche Grüße«
    Am selben Tag erhalte ich das Kommuniqué aus dem Vatikan und akzeptiere es umgehend ohne Veränderungen. Wann hat schon einmal ein Papst zusammen mit einem Theologen ein gemeinsames Pressekommuniqué über ein Gespräch veröffentlicht! Hier der Text, wie er vom Vatikan sogleich publiziert wurde, im Wortlaut:
    »Begegnung von Papst Benedikt XVI. mit Professor Hans Küng:
    Am Samstag, den 24.   September 2005, fand in freundschaftlicher Atmosphäre ein Gespräch zwischen Papst Benedikt XVI. und Professor Hans Küng (Tübingen) statt. Beide Seiten waren sich einig, daß es nicht sinnvoll sei, im Rahmen dieser Begegnung in einen Disput über die Lehrfragen einzutreten, die zwischen Hans Küng und dem Lehramt der katholischen Kirche umstritten sind. Das Gespräch konzentrierte sich deshalb auf zwei Bereiche, die besonders in jüngerer Zeit im Vordergrund der Arbeit von Hans Küng stehen: die Frage des Weltethos und der Dialog der Vernunft der Naturwissenschaften mit der Vernunft des christlichen Glaubens.
    Professor Küng stellte heraus, daß es bei dem Projekt Weltethos keineswegs um eine abstrakte intellektuelle Konstruktion gehe. Es werden vielmehr die

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